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Rotkehlchen

Rotkehlchen

Titel: Rotkehlchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Die Stimme am anderen Ende war flach und neutral, doch Sverre konnte die Verachtung nicht überhören. Er sagte nichts, denn obgleich er den Mann am anderen Ende hasste, war seine Furcht doch stärker; er scheute sich nicht einmal, sich das einzugestehen. Dieser Mann hatte den Ruf, gefährlich zu sein. Nur die wenigsten in der Szene hatten von ihm gehört und nicht einmal Sverre selbst wusste seinen richtigen Namen. Doch über seine Verbindungen hatte er Sverre und seine Kumpane mehr als einmal aus Schwierigkeiten befreit. Natürlich geschah das im Dienst der Sache und nicht etwa, weil er irgendwelche warmen Gefühle für Sverre hegte. Hätte Sverre sonst irgendjemanden gekannt, der ihm in dieser Sache weiterhelfen konnte, hätte er sich bestimmt an den gewendet.
    Die Stimme: »Wer hat angefragt und wofür will er die Waffe haben?«
    »Ein alter Kauz, ich habe ihn niemals zuvor gesehen. Behauptete, einer von uns zu sein. Und ich habe mich nicht erkundigt, auf wen er es abgesehen hat. Auf niemanden, vielleicht. Vielleicht will er das Gewehr nur zum …«
    »Halt dein Maul, Olsen. Sah er aus, als ob er Geld hätte?«
    »Er war gut gekleidet. Und er gab mir einen Tausender, bloß um zu hören, ob ich ihm helfen kann oder nicht.«
    »Er gab dir einen Tausender, damit du die Klappe hältst, und nicht, um irgendeine Antwort zu hören.«
    »Hm.«
    »Interessant.«
    »Ich treffe ihn in drei Tagen wieder. Dann will er wissen, ob wir es hinkriegen.«
    » Wir?«
    »Ich meine …«
    »Ob ich es hinkriege, meinst du.«
    »Natürlich, aber …«
    »Was zahlt er dir für den Rest des Jobs?«
    Sverre zögerte. »Zehn Lappen.«
    »Das Gleiche kriegst du von mir. Zehn Scheine. Wenn es zu dem Handel kommt. Verstanden?«
    »Verstanden.«
    »Für was bekommst du die zehn Lappen?«
    »Damit ich die Klappe halte.«
    Sverres Zehen waren vollkommen gefühllos, als er auflegte. Er brauchte neue Stiefel. Er blieb stehen und sah einer leeren, willenlosen Chipstüte nach, die der Wind aufgewirbelt hatte und jetzt in Richtung Storgata zwischen den Autos hindurchwehte.
     
    Herbert’s Pizza, Youngstorget, 15. November 1999
     
    20 Der alte Mann ließ die Glastür von Herbert’s Pizza hinter sich ins Schloss fallen. Auf dem Gehsteig blieb er stehen und wartete. Eine Pakistanerin schob einen Kinderwagen an ihm vorbei, um ihren Kopf hatte sie einen Schal gewickelt. Vor seinen Augen rauschten die Autos vorüber, in deren Seitenfenstern er sein eigenes flackerndes Spiegelbild und die großen Glasfenster der Pizzeria erkennen konnte. Links vom Eingang war das Glas teilweise mit weißem Klebeband verklebt. Es sah aus, als hätte jemand versucht, die Scheibe einzutreten. Das Muster der weißen Sprünge im Glas erinnerte an ein Spinnennetz. Hinter dem Glas konnte er Sverre Olsen erkennen, der noch immer an dem Tisch saß, an dem sie die Details besprochen hatten. Am Containerhafen in Bjervika in drei Wochen. Pier 4. Nachts um zwei. Codewort: Voice of an Angel. Das war sicher der Name eines Popsongs. Er hatte ihn noch nie gehört, aber der Titel passte irgendwie. Der Preis war hingegen weniger passend gewesen: siebenhundertfünfzigtausend. Doch er wollte darüber nicht diskutieren. Die Frage war bloß, ob sie ihren Teil der Abmachung einhalten oder ihn dort unten am Containerhafen ausrauben würden. Er hatte an ihre Loyalität appelliert, als er dem jungen Neonazi sagte, er sei früher Frontkämpfer gewesen, doch er war sich nicht sicher, ob der ihm geglaubt hatte. Oder ob das eine Rolle spielte. Erhatte sich sogar eine Geschichte ausgedacht, wo er gedient hatte, falls der Junge Fragen stellen sollte. Doch das hatte er nicht getan.
    Noch mehr Autos fuhren vorüber. Sverre Olsen war sitzen geblieben, doch jemand anders hatte sich dort drinnen erhoben und wankte auf den Ausgang zu. Der Alte erinnerte sich an ihn, der war das letzte Mal auch dort gewesen. Und heute hatte er ihn die ganze Zeit beobachtet. Die Tür ging auf. Er wartete. Es gab eine Lücke zwischen den Autos, doch er konnte hören, dass der Mann unmittelbar hinter ihm stehen geblieben war. Dann kam es:
    »Verdammt, ist er es wirklich?«
    Die Stimme war ganz eigenartig, rauchig und tief von langen Jahren mit Suff, Zigaretten und wenig Schlaf.
    »Kenne ich Sie?«, fragte der Alte, ohne sich umzudrehen. »Das denke ich doch, ja.«
    Der Alte drehte den Kopf, sah ihn eine Sekunde lang an und wandte sich wieder ab.
    »Mir kommen Sie nicht bekannt vor.«
    »Ach nein! Kennst du deinen alten

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