Rott sieht Rot
Waschbecken.
Ich machte mich auf die Suche nach einer Art Arbeitszimmer und fand es am Ende eines kleinen Flurs, der vom Wohnzimmer aus abging.
Ein Bürostuhl, ein Schreibtisch mit Telefon, Fax und Computer, ein Schrank mit Akten und eine Hifi-Anlage: Das war die ganze Einrichtung.
Auf dem Schreibtisch lagen allerlei Papiere herum; neben der Hifi-Anlage gab es einen kleinen Ständer mit CDs.
Ich zog ein paar heraus und überflog die Titel. Es war der übliche Popkram - Michael Jackson, Geri Halliwell, Madonna. Dazwischen ein paar Produktionen mit überraschenden Titeln: »Gottes Liebe erwartet dich!« hieß zum Beispiel eine der Scheiben, auf deren Cover ein goldenes Kruzifix zu sehen war. Der Schriftzug war dick und ebenfalls in Gold gedruckt. Ich suchte nach einer Herstellerbezeichnung und fand sie in winziger Schrift auf der Rückseite: »Gregor-Records GmbH, Nümbrecht«.
So was produzierte also die Firma, bei der Sülzbach arbeitete! Natürlich - kaum nannte sich einer Manager, schon stellte man sich wer weiß was vor. Vielleicht sollte ich mich demnächst »Ermittlungsmanager« nennen. Oder ganz auf Englisch, das klang noch besser. Mir fiel leider das englische Wort für »Ermittlung« nicht ein.
Ich wandte mich dem Schreibtisch zu. Das Lämpchen am Anrufbeantworter blinkte. Das Display zeigte die Anzahl »4«. Ich drückte die Wiedergabetaste und hörte Jutta, die sich wegen des Termins in dem Kölner Laden meldete. Der erste Anruf war am Sonntag erfolgt, dann hatte sie es am Montag und am Dienstag jeweils noch einmal versucht. Mittendrin sprach eine Frau mit leiser Stimme.
»Schwaheutda. Sewarenwesch. Binonussjejange.« Dann kam noch etwas Gemurmel.
Beim ersten Mal verstand ich überhaupt nichts; ich spulte das Band zurück und versuchte es noch einmal. Dann wurde mir klar, dass es Sülzbachs Putzfrau sein musste. Die Cleaning-Managerin, die sehr ausgeprägt Dialekt sprach. Die sterile Stimme, die Datum und Uhrzeit bekannt gab, erklärte, dass der Anruf am Dienstag um siebzehn Uhr drei erfolgt war.
Ich öffnete die Schubladen des Schreibtischs. Sie enthielten ein bisschen Büromaterial. Schere, ein Kästchen mit Büroklammern, einen Hefter, Stifte.
Ich nahm mir die Akten in dem Schrank vor. Hier wurde es langsam interessant. Die Ordner waren voller Kontoauszüge.
Es war sehr leicht herauszufinden, dass Tristan Sülzbach finanziell nicht gerade gut dastand - vorausgesetzt, er hatte nicht noch ein Konto, dessen Unterlagen sich woanders befanden. Die Belege, die er ordentlich abgeheftet hatte, zeigten Minusbeträge von bis zu achtzehntausend Euro. Der Mann schien, was seine Liquidität betraf, nicht unbedingt eine gute Partie zu sein. Ob die Baronin das wusste?
Ich blätterte eine Weile herum und stieß auf ein Formular, das Sülzbach in Klarsichtfolie aufbewahrte. Es besaß ein merkwürdiges Format - etwas breiter als DIN-A-4 und etwas kürzer. Damit es in die Folie passte, hatte Sülzbach es seitlich eingeknickt. Trotzdem konnte ich erkennen, worum es sich handelte. Ich las »Las Vegas«, sah einen Stempel, auf dessen Rand sich die Worte »United States of America« krümmten, und ich erkannte deutlich die Namen der Brautleute sowie ein Datum im September. Sie hatten im Spielerparadies von Nevada schon standesamtlich geheiratet. Das hatte Sülzbach Svetlana verheimlicht. Auch Jutta hatte es nicht erwähnt, wusste es aber wahrscheinlich.
Was ich nicht fand, war Sülzbachs lederner Terminplaner oder etwas Ähnliches, was Manager in meiner Vorstellung ständig mit sich herumschleppten. Offenbar hatte Sülzbach diese Dinge im Moment bei sich - wo auch immer er war. Ich versuchte den Computer zu starten, stieß jedoch auf einen Passwortschutz. Ich probierte einiges aus: Svetlana, Agnes, Maiwald, Svetlana Maiwald, Agnes von Rosen-Winkler, sogar Porsche. Ohne Erfolg.
Dann probierte ich das Telefon. Die letzten fünf angewählten Nummern waren noch im Speicher. Eine davon war meine, eine andere die von Jutta. Die anderen verglich ich mit meinen Notizen: Es waren die von Svetlana und der Baronin - direkt hintereinander. Eine fünfte konnte ich nicht identifizieren. Ich fackelte nicht lange und drückte auf den Verbindungsknopf. Während es tutete, sah ich aus dem Fenster. Über dem Tannenwald drehte sich das riesige Windrad.
»Sülzbach?«, meldete sich eine etwas brüchige Stimme. Eine alte Dame.
»Guten Tag, Frau Sülzbach«, säuselte ich möglichst höflich in den Hörer. »Entschuldigen Sie die
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