Rott sieht Rot
die Telefonnummer des Absenders. Wenn nicht irgendein Hacker seine Finger im Spiel hatte, war die SMS von Sülzbachs Handy abgeschickt worden. Ich öffnete die Mitteilung; sie war sehr kurz: TREFFEN. 23 UHR. A1 RASTPL HINT W-NORD.
Sofort ging ich zum Bürotelefon und wählte Sülzbachs Mobilnummer. Die berühmte freundliche Dame verriet mir, dass der Teilnehmer nicht zu erreichen sei. Dann rief ich wieder die Baronin an. Sie wirkte müde; vielleicht hatte sie schon geschlafen.
»Hat sich Ihr Mann gemeldet?«, fragte ich.
»Nein. Wieso?« Sie wurde plötzlich wacher. »Haben Sie ihn gefunden?«
»Er hat mir eine SMS geschickt. Das heißt, vielleicht auch jemand anders von seinem Handy aus. Er will mich treffen.«
»Treffen? Wo?«
»Auf einem Autobahnrastplatz.«
»Was soll diese Geheimnistuerei? Das verstehe ich nicht.«
»Ich auch nicht.«
»Und jetzt?«
»Ich fahre natürlich hin.«
»Ich fahre mit.«
»Auf keinen Fall«, sagte ich.
»Aber -«
»Wer weiß, was dahinter steckt. Ich kann allein besser auf mich aufpassen. Ist Jutta noch bei Ihnen?«
»Nein. Sie ist schon weg.«
Ich sah auf die Uhr. Ich musste mich langsam auf die Socken machen.
»Ich rufe Sie an, wenn ich ihn gefunden habe.«
»Gut.«
Weder Jutta noch Svetlana waren zu erreichen. Ich öffnete den Kleiderschrank im Schlafzimmer und holte das Futteral mit meiner Neun-Millimeter-Beretta heraus. Ich überprüfte die Munition und schnallte das Ding um.
Um halb elf verließ ich das Haus.
11. Kapitel
Ich verstand die übermittelten SMS-Abkürzungen so: Das Treffen sollte auf einem Rastplatz stattfinden, der sich an der Al hinter dem Autobahnkreuz Wuppertal Nord befand. Mit »hinter« musste nördlich gemeint sein, denn ich kam von Süden.
Der Rastplatz bestand aus zwei Fahrspuren mit schrägen Parktaschen. Eine war für die Brummis bestimmt, die andere für Pkw. Daneben erstreckte sich ein Stück Rasen mit verwaisten Steintischen und Bänken. Dazwischen stand ein Klohäuschen. Ich fuhr ziemlich weit nach hinten durch, stellte den Wagen ab und stieg aus.
Ich war zehn Minuten zu früh. So konnte ich den Parkplatz noch ein bisschen absuchen. Das war nicht weiter schwierig, denn die Pkw-Seite war fast leer. Nur ein weißer VW-Bus stand in der Nähe der Toilette. Ich war gerade zwei Schritte gegangen, da kam der Fahrer heraus und fuhr davon.
Ich ging den gesamten Weg von der Auffahrt bis zurück zu meinem Wagen ab und warf unterwegs einen Blick in das Häuschen. Es war niemand darin. Schließlich blieb ich draußen stehen und behielt die Einfahrt im Auge.
Ab und zu fuhren Lastwagen auf den Parkplatz. Ich konnte nichts weiter tun, als die wandernden Lichter zu beobachten und dem ständig dahinrauschenden Verkehr zu lauschen. Als ich eine Zigarette aus der Tasche nahm und sie anzündete, merkte ich, dass es leicht zu regnen anfing.
Ich ging eine Weile auf und ab. Einmal kam ein Mercedes - wieder nur ein Pinkelkandidat. Als ich das nächste Mal auf die Uhr sah, war es zwanzig nach elf. Ich dachte gerade darüber nach, ob mich jemand auf den Arm genommen hatte, und wenn ja, wer und warum, da fuhr ein schwarzer Wagen heran. Er besaß die typischen runden Lichter. Obwohl sie mich blendeten, erkannte ich die flache Form der Karosserie. Es war ein Porsche.
Die Scheinwerfer trafen mich und den Golf, an den ich mich gelehnt hatte, und in diesem Moment blieb das Fahrzeug stehen. Ich lief hinüber, konnte aber niemanden im Wagen erkennen. Ich ging auf die Fahrerseite zu. Plötzlich bemerkte ich eine Bewegung. Die Scheibe in der Tür senkte sich, und eine Hand in schwarzem Lederhandschuh kam heraus. Sie richtete eine Pistole auf mich.
Reflexartig warf ich mich zu Boden und robbte hinter das Fahrzeug. Eine Zehntelsekunde später hörte ich einen lauten Knall. Gebückt rannte ich zu dem Klohäuschen und verharrte kurz in dessen Deckung. Dann hastete ich auf dem Rasenstück weiter.
Nach etwa zwanzig Metern stoppte mich eine riesige Mauer, die ich von der Straße aus nicht gesehen hatte. Es musste eine Lärmschutzwand sein. Ich drehte mich um. Der Porsche stand da wie ein flacher schwarzer Klotz. Die Scheinwerfer waren aus. War jemand ausgestiegen und kam über die dunkle Rasenfläche hinter mir her? Schlagartig brach mir der Schweiß aus. Ich hörte mich laut atmen. Mein Herz begann zu rasen.
Ich tastete mich vorsichtig an der Wand weiter. Der Nieselregen war nicht stärker geworden, doch er vermischte sich in meinem Gesicht mit dem Schweißfilm.
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