Rott sieht Rot
Plötzlich wurden meine Knie weich, und ich musste mich an der rauen Wand abstützen. Ich biss die Zähne zusammen und schlich weiter. Ich drehte mich um, und während ich den Porsche im Auge behielt, zog ich langsam meine Pistole heraus und lud sie durch. Ich kniff die Augen zusammen. Im Inneren des Wagens bewegte sich etwas.
Warum kam der Fahrer nicht heraus? Wenn er es auf mich abgesehen hatte, konnte er mir doch auch nachkommen. Aber er wusste wahrscheinlich nicht, wohin ich verschwunden war. Er wartete darauf, dass ich wieder im beleuchteten Teil des Parkplatzes auftauchte, damit er mich ganz einfach abknallen konnte. Zeugen waren ihm dabei offenbar egal. Keine guten Aussichten.
Ich blieb stehen und wischte mir mit dem Ärmel über das Gesicht. Ruhe bewahren, sagte ich mir. Denk nach!
Welche Möglichkeiten hatte ich? Ich konnte irgendwie abhauen - in den vorderen Teil des Rastplatzes zum Beispiel und dort um Hilfe rufen. Falls der Mensch im Auto das nicht mitbekam. Ich konnte selbst auf ihn schießen, um ihn am Wegfahren zu hindern, und ihn dann identifizieren. Die Rambo-Manier. Oder noch besser: die Reifen kaputt schießen. Wenn er nicht wegfahren konnte, würde er irgendwann rauskommen müssen. Und ich hatte inzwischen die Möglichkeit, die Polizei zu informieren. Ich sah schon Krügers Gesicht vor mir.
Ich lehnte mich mit dem Rücken an die Mauer. So musste sich einer fühlen, den man an die Wand gestellt hatte und der gleich erschossen werden sollte.
Minuten vergingen. Irgendwann spürte ich einen Kälteschauer; meine verschwitzten Klamotten waren klamm. Dann klappte eine Autotür. Jetzt war es so weit. Jemand war aus dem Porsche gestiegen und sah sich um. Ich konnte nur schemenhaft erkennen, was da vorging, immer wieder musste ich mir den Schweiß aus dem Gesicht wischen.
Die Gestalt bewegte sich in Richtung Golf. War das Sülzbach? Die Person wirkte kleiner, aber ich konnte mich auch täuschen. Gleich würde der Unbekannte in den Lichtkegel treten, in dem ich meinen Wagen geparkt hatte. Dann würde ich vielleicht sein Gesicht zu sehen bekommen.
Doch plötzlich blieb er stehen und sah sich um. Ein merkwürdiges Geräusch näherte sich. Dumpfe Schläge. Ein Wagen kam auf den Parkplatz geschossen. Techno-Musik dröhnte aus einer voll aufgedrehten Anlage. Das Auto bremste quietschend, die Türen gingen auf, und ein paar Jugendliche stiegen aus. Jetzt übertraf der Lärm sogar den Krach von der Autobahn. Dazwischen gab es Gejohle. Ein paar der Jungs gingen aufs Klo, während sich andere für den Porsche zu interessieren schienen.
Der unbekannte Fahrer, der immer noch zwanzig, dreißig Meter entfernt stand, verstaute etwas in seiner Jacke und machte, dass er zu seinem Fahrzeug kam. Der Porschemotor röhrte in die Technomusik hinein. Der Wagen preschte nach vorn und verschwand auf der Autobahn.
Ich wartete, bis auch die Jugendlichen weg waren, bevor ich mich aus meinem Versteck traute. Langsam beruhigte sich mein Herzschlag wieder.
Ich ging zurück, startete den Golf, reihte mich in den dahinfließenden Verkehr ein und tippte die Nummer der Baronin. Auch beim siebenten Klingeln meldete sie sich nicht. Ich versuchte es bei Jutta; sie war zu Hause.
»Remi, wo steckst du?«
»Lange Geschichte. Wo ist deine Freundin? Sie geht nicht ans Telefon.«
»Sie ist wahrscheinlich auf dem Weg zu mir. Wir haben vorhin telefoniert. Sie ist so mit den Nerven runter, dass sie nicht allein in ihrer Wohnung bleiben will.«
»Gut. Ich komme zu dir. Wir müssen klären, wie wir weitermachen.«
»Ist was passiert?«
»Kann man so sagen. Bis gleich.«
*
Als ich ankam, war die Atmosphäre genau wie vor gut einer Woche, als die Geschichte begonnen hatte. Kerzen brannten, und wir saßen in der Sitzgruppe. Es gab jedoch einen Unterschied: Ich bekam ein Bier angeboten. Die Damen tranken Rotwein. Agnes von Rosen-Winkler kam mir ziemlich blass vor, und dieser Zustand nahm noch zu, während ich erzählte, was passiert war.
»Ich bin der Ansicht, Sie sollten die Polizei einschalten«, sagte ich zum Abschluss. »Ich sage es nicht gern, aber da scheint etwas Schlimmes dahinter zu stecken.«
Die Baronin biss sich auf die Lippen und schwieg. Ich zündete mir eine Zigarette an.
»Agnes, das ist sicher besser«, bekräftigte Jutta.
Frau von Rosen-Winkler schüttelte langsam den Kopf. »Vielleicht hat ja jemand den Wagen samt Handy gestohlen und eine Art Überfall versucht.«
»Das muss dann aber jemand sein, der über meine
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