Rott sieht Rot
befand sich der größte Haufen Altmetall; dahinter stand eine der Baubuden. Von dort aus wäre ein Fenster zu erreichen; allerdings musste man dafür über den quer liegenden Kran klettern. Und auf dem Weg dahin hatte man ein kräftiges Kampfhundgebiss am Bein.
Ich stieg von dem Golf herab. Svetlana sah mich neugierig an. »War die Aussicht schön?«
»Ich muss da unbedingt rein. Ich muss mit diesem Reinsdorf reden.«
»Vielleicht solltest du ihn einfach anrufen, bevor du dich von dieser Meute zerfleischen lässt.«
»Geniale Idee. Besser, wir gehen von dem Tor weg, damit die Viecher Ruhe geben.«
Wir stellten uns hinter den Wagen, und ich wählte die Nummer der Auskunft. Kurz darauf erfuhr ich, dass ein gewisser Robert Reinsdorf in dieser Straße wohnte. Die nette Dame, die mir die Information gegeben hatte, fragte mich höflich, ob sie mich weiterverbinden solle, und ich bejahte. Kurz darauf ertönte das Rufzeichen. Ich ließ es klingeln, bis das Besetztsignal erklang.
»Zumindest wissen wir, dass wir richtig sind und dass Reinsdorf nicht zu Hause ist«, sagte ich.
»Und jetzt?«
»Werde ich mir das Domizil mal ansehen.«
Svetlana steckte die Hände in die Taschen ihrer Jacke. »Was soll das bringen? Meinst du, Tristan ist da drin?«
»Ich will wissen, welche Art von Geschäften Reinsdorf betreibt.«
»Und die Hunde?«
»Die musst du ablenken. Ich brauche nur ein paar Sekunden, um rüberzurennen und auf den Schrottberg zu klettern. Da hoch können sie nicht.«
»Ein paar Sekunden? Bist du sicher?«
»Oder eine halbe Minute. Mehr aber nicht.«
»Wie stellst du dir das vor?«
»Du musst hier am Tor bleiben, damit sie sich auf dich konzentrieren und mich gar nicht bemerken.«
Wir näherten uns den Metallstäben. Sofort waren die Hunde da und begannen zu bellen. Mir wurde etwas flau im Magen. Theoretisch klang mein Plan vielleicht ganz gut, in der Praxis gefiel er mir gar nicht mehr.
Ich griff in die Tasche und gab Svetlana den Autoschlüssel. »Wenn du die Hunde abgelenkt hast, setzt du dich ins Auto und wartest.« Sie nahm das Etui und nickte. »Aber zur Sicherheit habe ich noch was in der Hinterhand.« Ich nahm ihr den Autoschlüssel wieder ab, ging zum Wagen und öffnete den Kofferraum. Darin lag meine Beretta. Ich schnallte mir das Ding um.
»Du hast eine Waffe?«, fragte Svetlana.
»Wie du siehst.« Ich knallte die Kofferraumklappe zu.
»Warum erschießt du die Hunde damit nicht einfach?«
»Soll das ein Witz sein? Ich bin doch nicht Rambo. Außerdem könnte das Geballer doch etwas zu auffällig sein. Und jetzt stell dich bitte mal vor das Tor.«
Svetlana ging die Mauer entlang bis zu den Gitterstäben. Das Gebell begann. »Huhu, ihr lieben Hündchen«, rief sie und winkte. »Hier bin ich!«
Das Kläffen steigerte sich ins Hysterische. Wahrscheinlich bissen sich die Tiere gerade am Metall des Tores die Zähne aus. Ich versuchte, den Gedanken an die Reißzähne beiseite zu schieben, und machte mich wieder daran, das Auto zu erklimmen.
Von oben peilte ich die Lage. Links sah ich den ganzen Pulk Hunde bei Svetlana. Ich konnte nur ihre muskulösen Hinterteile mit den kurzen Schwänzen erkennen. Ich zählte sieben; also waren alle da.
Ich stieg auf die Mauer. Sie war etwa einen halben Meter dick. Ich schielte noch einmal hinüber. Keiner der Hunde bemerkte mich. Ich setzte mich auf die Mauer und ließ die Beine hinunterhängen. Mir wurde mulmig. Es war so ähnlich wie vor knapp dreißig Jahren, als ich auf dem Zehn-Meter-Brett im Schwimmbad gestanden hatte. Mein Vater hatte mir geraten, nicht lange nachzudenken, sondern einfach zu springen. Ich brachte es aber nicht fertig. So setzte ich mich dort oben hin und dachte eine geschlagene halbe Stunde darüber nach, ob ich mich trauen sollte oder nicht. Danach kletterte ich hinunter. Seitdem bin ich nie wieder auf einem Sprungturm gewesen.
»Jetzt mach schon«, rief Svetlana.
Ich konzentrierte mich und schätzte die Entfernung ab. Von der Mauer bis zu dem Schrotthaufen waren es höchstens fünfzig Meter. Über dem Haufen lag diagonal in die Höhe ragend der Rest des alten Krans. Kreuz und quer verliefen die Sprossen. Fast wie eine Leiter. Wenn ich da hinaufkam, konnte mir kein Hund folgen.
Also los, sagte ich mir. Und kaum hatte ich den Gedanken formuliert, rief Svetlana schon wieder. »Was ist jetzt?«
In diesem Augenblick ließ ich mich die zwei Meter hinuntergleiten.
Als ich den Boden berührte, reagierte ich, als hätte ich einen
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