Rott sieht Rot
Geschäftsführer in einem Autohaus, wie seine Mutter immer noch denkt.«
»Remi, du machst mir Angst.«
»Ich kann es nicht ändern. Ich würde deiner Freundin aber einen guten Rat geben.«
»Dass sie die Polizei einschalten soll? Das macht sie nicht. Darüber haben wir gestern lang und breit diskutiert.«
»Dann soll sie wenigstens die Hochzeit absagen. Wer weiß, ob es der unbekannte Täter nicht auch auf die Baronin abgesehen hat.« Ich schielte zu Svetlana hinüber. Sie hatte die rechte Faust geballt.
»Wie stellst du dir das denn vor?«, sagte Jutta.
»Ganz einfach. Allen Leuten sagen, mailen oder faxen, dass es keine Hochzeit gibt.«
»Das macht sie nie.«
»Dann steht sie heute Nachmittag ohne Bräutigam da. Das ist schon mal sicher.«
»Nichts ist sicher. Wer weiß, wo Tristan jetzt gerade ist. Wenn es ihm nur einigermaßen gut geht, wird er um vier vor der Kirche sein. Davon bin ich felsenfest überzeugt.«
»Wie kann man nur so stur sein? Hat deine Freundin vielleicht Lust, als verlassene Braut in die Zeitung zu kommen? Oder als Braut, die an ihrem Hochzeitstag vor der Kirche erschossen wurde?«
»Zur ersten Möglichkeit würde ich sagen: Sie zeigt eben, dass sie zu ihrem Wort steht. Tristan hat sich nicht bei ihr gemeldet, also wird sie zur Hochzeit erscheinen. Zur zweiten Möglichkeit werde ich sie fragen. Das muss sie selbst einschätzen.«
»Es gibt noch eine andere Version. Was ist, wenn ich in Siegburg seine Leiche finde?«
»Warten wir’s erst mal ab«, rief Jutta mit spitzer Stimme. »Und bis dahin wird der Plan eingehalten. The Show must go on.«
»Wenn ihr das als Show anseht …«, brummte ich und drückte auf den Knopf.
Wir passierten gerade die Ausfahrt Rösrath; nach Siegburg war es nicht mehr weit. Ich ging mit etwas zu viel Fahrt in die Kurve, als wir die Autobahn verließen. Die Reifen quietschten.
»Wie hast du das eigentlich gemeint?«, fragte Svetlana.
»Was?« Ich bremste den Wagen scharf vor einer roten Ampel.
»Dass wir in Siegburg Tristans Leiche finden.«
Ich schwieg.
*
Irgendwann war der Turm der Abtei auf dem Michaelsberg zu sehen -Siegburgs Wahrzeichen. Während ich der Beschilderung in die Innenstadt folgte, wurde der Verkehr immer dichter. Die ganze Stadt schien auf den Beinen zu sein, um Samstagseinkäufe zu machen. Svetlana studierte wieder die Karte und wies mich plötzlich an, rechts einzubiegen. »Neue Poststraße« las ich auf einem Straßenschild.
»Hier sollten wir einen Parkplatz suchen.«
»Leichter gesagt, als getan.«
Es ging nicht vor und nicht zurück. Fußgänger schoben sich zwischen den stehenden Autos durch. Es gab eingezeichnete Parkplätze, aber die waren komplett besetzt.
»Vielleicht könnte ich ja schon mal aussteigen«, sagte Svetlana.
»Um was zu tun?«
»Na ja - ich könnte in das Geschäft gehen und mit den Leuten da reden …«
Ihr Gesichtsausdruck zeigte, dass sie es ernst meinte. Wie ich Svetlana bis jetzt kennen gelernt hatte, traute ich ihr ohne weiteres zu, dass sie ihren Plan in die Tat umsetzte. Und das Schlimmste war: Wenn sie jetzt aus dem Auto sprang, konnte ich sie nicht daran hindern. Es gab nur eine einzige Möglichkeit, sie dazu zu bringen, hier zu bleiben. Ich musste sie bitten.
»Tu mir einen Gefallen und bleib hier«, sagte ich so sanft es ging.
Ich stieß sofort auf Widerstand. »Aber wieso? Das wäre doch eine vernünftige Lösung.«
»Die Ermittlungen sind ganz allein meine Aufgabe«, sagte ich, als hätte ich es nötig, mich zu rechtfertigen.
»Aber die Zeit läuft uns davon! Willst du jetzt etwa den Kleinlichen spielen?«
»Das hat überhaupt nichts mit Kleinlichkeit zu tun …«
Die Lautstärke ihrer Stimme war um einige Dezibel gestiegen. Als sie jetzt ansetzte, legte sie noch eins zu. »Manchmal frage ich mich, ob du Tristan überhaupt finden willst!«
»Wie bitte? Was glaubst du, mache ich hier?«
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah angewidert drein. »Im Moment spielst du den Kleinkarierten, der seine Ermittlungszeit lieber im Stau verbringt, als seinen Auftrag auszuführen.«
»Wenn es hier endlich weitergeht, bin ich der Erste, der voranmacht. Das kannst du aber glauben!«
»Dann fahr doch endlich. Schau mal nach vorn.«
Vor lauter Streiterei hatte ich nur noch Svetlana angesehen, anstatt auf die Straße zu achten. Der Wagen vor uns war verschwunden. Es waren etwa dreißig Meter Straße frei. Im selben Moment, als ich den Gang einlegte, um weiterzufahren, hupte es von
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