Rott sieht Rot
hinten. Ich fuhr an und bemerkte rechts neben mir, wie bei einem parkenden Wagen der weiße Rückfahrscheinwerfer anging. Ich stoppte. Sofort hupte es wieder.
»Was ist denn jetzt?«, fragte Svetlana.
»Guck halt hin, dann siehst du es!«
Ich blickte in den Rückspiegel und sah, wie mein Hintermann mit den Händen fuchtelte. Ich kümmerte mich nicht darum. Es dauerte eine Weile, bis der Fahrer neben uns seine Karosse aus der Parklücke bugsiert hatte. Der ersehnte Stellplatz war gefunden.
»Das hätten wir. Und jetzt sollten wir uns aber wirklich beeilen«, erklärte ich überflüssigerweise, als ich die Tür abschloss.
Als wir in die erste Fußgängerstraße eingebogen waren, zeigte sich, warum in der Stadt so viel los war. Es war Markttag. Die Straße verbreiterte sich zu einem Platz, der voller Buden, Getümmel und Geschrei war. Rechts ragte eine schmale Steinsäule in den hellen Himmel, darauf erkannte ich eine geflügelte Frau aus Stein. Sie trug einen Lorbeerkranz auf dem Kopf und betrachtete das Gewusel unter ihr mit stoischer Gelassenheit.
»Es muss da drüben sein«, rief Svetlana.
Wir drängelten uns weiter. Auf der anderen Seite des Platzes wurde die Straße wieder schmal. Ich versuchte, Hausnummern zu erkennen. Da stieß mich Svetlana an. »Hier ist es!«
Die Parfümerie war riesig. Wir gingen durch eine Tür, die so groß war, dass sie glatt in den Wuppertaler Karstadt hätte führen können. Gestylte Damen in weißen Kittelchen bedienten an kleinen Tischen und Theken ihre Kundinnen. An den Wänden reihten sich die Regale mit bunten Schächtelchen aneinander, unterbrochen von irgendwelchen Probierdisplays für Make-up, die wie Hightech-Paletten neuzeitlicher Maler aussahen.
Dazwischen hingen auf Pappe gezogene Werbeplakate, auf denen verschwörerisch dreinblickende Frauen mit wilden Mähnen Produkte mit Namen wie »Flagrance«, »Intuition« oder »Dark Blue« bewarben. Ab und zu gab es auch Oberkörper kantiger Dressmen zu sehen. Neben der glamourösen Schönheit umgab uns eine Geruchswolke, in der sich all die Duftwässerchen vereint darboten. Ich hätte hier für alles Geld der Welt keine zwei Stunden arbeiten können.
Der schöne Schein musste mit Schein beantwortet werden. Ich stellte mich an eine der Theken, wo eine weiß bekittelte Brünette gerade dunkelrote Schleifchen um ein Geschenk friemelte, und zog meine Lizenz heraus.
»Entschuldigung«, sagte ich und hielt ihr das Kärtchen hin. »Mein Name ist Rott. Ich komme von der Staatsanwaltschaft Wuppertal. Ich hätte gern den Geschäftsführer gesprochen.«
Eine etwa sechzigjährige Kundin drehte sich pikiert zu mir um; die Brünette hob langsam ihren Blick. Sie schien sich erst gar nicht angesprochen zu fühlen. Umso verwirrter sah sie drein, als sie die Situation erfasst hatte. »Sprechen Sie mit Frau Langen-Seelscheid«, sagte sie und friemelte weiter.
»Und wo finde ich die?«, fragte ich knapp.
Sie sah wieder auf die Lizenz, dann auf die Kundin, dann auf mich und auf Svetlana, die sich neben mich drängte.
»Es ist sehr dringend«, erklärte ich.
Endlich ließ sie ihre Bastelarbeit liegen. »Einen Moment, Frau Mayer«, entschuldigte sie sich bei der älteren Dame. Und zu uns: »Kommen Sie bitte mit.«
Sie führte uns zu einer verspiegelten Tür und öffnete sie. Dahinter war ein kleines Büro zu sehen. Eine andere bekittelte Frau, die deutlich älter als ihre Mitarbeiterin war, blickte mürrisch auf.
»Da ist jemand von der Staatsanwaltschaft«, sagte die Verkäuferin. »Er sagt, es sei dringend.«
»Vielen Dank«, sagte ich und schob mich durch die Tür. Svetlana folgte.
»Sind Sie die Geschäftsführerin?«
Die Frau, die rot gefärbte Haare hatte, nickte. Ich zückte wieder die Lizenz. »Mein Name ist Rott. Ich führe eine Ermittlung durch.«
»Entschuldigen Sie, muss das gleich sein? Wir haben ziemlich viel Kundschaft, und -«
»Es dauert nicht lange«, sagte ich. Svetlana schloss die Tür hinter uns. »Das ist meine Mitarbeiterin, Frau Maiwald.« An der hinteren Wand sah ich ein paar Stühle. »Dürfen wir uns setzen?«
Die Frau zuckte mit den Achseln. Wir ließen uns nieder.
»Wir sammeln Informationen über eine Frau, die hier gearbeitet hat. Petra Ziebold. Sagt Ihnen der Name etwas?«
Frau Langen-Seelscheid schüttelte den Kopf. »Wann soll das denn gewesen sein?«
»Vor gut zehn Jahren.«
Ihre Verkrampftheit lockerte sich. Sie lächelte, das heißt sie verzog den Mund, der in exakt demselben Rot-Ton
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