Rott sieht Rot
eine frische Zahnbürste«, sagte sie und lächelte. Unwiderstehlich.
»Und wo ist das Gästebett?« Obwohl ich mein Bier schon halb ausgetrunken hatte, breitete sich Trockenheit in meinem Mund aus. Svetlana tat, als müsse sie furchtbar schwer nachdenken. Ich spürte, wie meine Hände feucht wurden. Leichter Schwindel erfasste mich. Das ist das Bier, sagte ich mir. Bier auf nüchternen Magen - da muss einem ja flau werden …
»Ich habe eine ausrollbare Matratze. Die könnten wir hier hinlegen. Kein Problem.«
Ich schwieg und aß weiter. Sie stellte ihre Flasche hin. »Und? Was hältst du davon?«
»Das ist keine gute Idee«, sagte ich. »Du kannst doch morgen ausschlafen. Ich dagegen muss schon ganz früh losfahren. Da würde ich dich nur stören.«
»Du störst mich nicht. Ehrlich. Im Gegenteil. So geht doch alles viel schneller. Du kannst hier morgen einen Kaffee trinken. Du müsstest jetzt nicht mehr nach Wuppertal fahren. Und näher ist es von hier aus auch.«
»Stimmt natürlich«, gab ich zu.
»Na siehst du. Wann willst du denn weg?«
Ich zuckte die Achseln. »Ich sollte um neun in Siegburg sein. Da muss ich gegen acht los. Vielleicht früher. Berufsverkehr. Ich muss über die A3.«
»Kein Berufsverkehr. Morgen, das heißt heute, ist Samstag.«
Ich nickte nur. Sie stand auf.
»Perfekt. Dann stelle ich uns mal den Wecker. Vorher kriegst du noch dein Bett gebaut.«
Innerhalb von zwei Minuten hatte sie von irgendwo im Flur die Matratzenrolle geholt und sie zwischen den Stühlen und dem kleinen Schreibtisch ausgebreitet. »Jetzt hole ich dir noch Bettzeug.«
Wieder ging sie hinaus und kam mit einer bezogenen Bettdecke zurück. Sie nahm den leeren Teller und brachte ihn weg. Ich behielt mein Bier in der Hand und nahm noch einen Schluck.
Plötzlich stand sie in der Tür. »Und außerdem …«, fing sie an.
»Was?«, fragte ich.
Sie druckste herum und wandte den Blick zu Boden. »Ich meine … du bist nicht so gut drauf, und ich auch nicht…«
»Und?«
Sie kam zu mir herüber und legte ihre weiche Hand auf meine Schulter. Ihr Gesicht kam näher, als sie sich hinkniete, und dann waren da plötzlich ihre beiden Hände, die meine Wangen hielten. Sie hauchte mir einen Kuss auf die Lippen. Die Bierflasche, die ich immer noch festhielt, wurde ganz warm und rutschig.
»Komm doch einfach rüber.«
»Ja«, hörte ich mich sagen. Meine Stimme klang fremd.
»Ich geh ins Bad.« Sie verschwand.
»Alles klar.«
Ich starrte vor mich hin. Das Schwindelgefühl war stärker geworden. Ich leerte die Flasche und zog die Schuhe aus. Ich deponierte mein Jackett auf einem der Stühle; dann setzte ich mich auf die Matratze. Es war so ein dünnes Futon-Ding.
Ich legte mich lang hin und lauschte den Geräuschen aus dem Bad. Es begann zu rauschen; offenbar gönnte sich Svetlana eine Dusche.
Ich streckte mich aus und entspannte mich. Bis sie fertig war, konnte ich hier wunderbar liegen. Und dann selbst duschen. Und dann …
Oh Mann!
Ich betrachtete eine Weile die helle Zimmerdecke.
Sie war das Letzte, was ich sah, bevor mich der Schlaf übermannte.
17. Kapitel
Irgendwo piepste etwas in regelmäßigen Abständen.
Mir fiel ein, dass ich ja noch duschen wollte, und ich richtete mich mühsam auf. Es war hell. Ich sah auf meine Uhr, die ich immer noch am Handgelenk trug: Viertel nach sieben. Ich bewegte mich und spürte einen Schmerz am Oberschenkel. Irgendetwas drückte dagegen.
Hatte ich etwa den Pistolengurt um? Quatsch, dann hätte es etwas weiter oben gedrückt. Außerdem war die Waffe noch im Kofferraum. Ich tastete und spürte mein Schlüsselbund in der Tasche. Ich hatte in meinen Klamotten geschlafen.
Ich versuchte, das Ziehen im Rücken zu ignorieren. In diesem Moment kam Svetlana herein. Sie schob einen frischen Duft vor sich her und war fix und fertig angezogen. Munter wie der junge Tag.
»Guten Morgen«, rief sie und stellte ein Tablett auf den Tisch. Ich erkannte eine Kaffeekanne, Tassen, ein paar Scheiben Brot sowie eine Margarinepackung und Marmelade nebst Besteck und Tellern.
»Du trinkst doch Kaffee, oder?«
Ich nickte und unterdrückte ein Gähnen. »Warum bist du so früh schon wach?«, fragte ich.
»Ich hab doch gesagt, dass ich nicht schlafen kann. Im Bad liegt ein Handtuch für dich. Und die Zahnbürste.«
Ich stand auf, ging hinüber und machte Katzenwäsche. Mein Hemd miefte. Ich konnte es nicht ändern. Ich dachte daran, wie Svetlana in der Tür gestanden hatte. Wie sie auf mich
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