Rott sieht Rot
Mutter und die andere eine größere Wohnung leisten konnten. Sie sagte, dann würde dieser Ärger vielleicht aufhören. Können Sie damit etwas anfangen?«
»Erzählen Sie weiter.«
Sie schüttelte den Kopf. »Mehr gibt es nicht.«
»Wissen Sie, wie diese andere Frau hieß?«
»Rosi«, sagte Frau Stieber. »Genau. Sie hieß Rosi.«
»Kein Nachname?«
»Nein.«
»Und Petras Mutter hieß mit Nachnamen auch Ziebold?«
»Das kann ich nicht sagen. Wahrscheinlich schon.«
»Gut, Frau Stieber. Sie haben uns sehr geholfen.« Ich holte meine Visitenkarte heraus und gab sie ihr. »Wenn Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie mich bitte an. Wir brauchen jeden Hinweis. Kontakte, Freunde, alles.«
Sie nahm die Karte. Ihre Hand zitterte. »Aber sagen Sie nichts …«
Die Tür ging auf, der Lärm aus dem Verkaufsraum überflutete den Raum, und die Chefin kam herein. »Frau Stieber, wo bleiben Sie denn? Ich warte schon auf Sie.« Sie sah mich streng an. »Fünf Minuten hatte ich gesagt.« Ihre Mitarbeiterin stand auf. Ihr Gesichtsausdruck war jämmerlich. Mir war klar, was sie mit dem angefangenen Satz hatte sagen wollen. Ihre Komplizenschaft mit Petra Ziebold war bis heute unter der Decke geblieben. Und da sollte sie auch bleiben.
»Was haben Sie denn?«, fragte Frau Langen-Seelscheid. »Herr Rott! Was ist hier passiert? So kann ich die Frau aber nicht in den Verkaufsraum lassen. Frau Stieber, machen Sie sich erst einmal frisch.«
Ich zuckte die Achseln. »Gar nichts ist passiert. Wir haben uns nur ein bisschen über alte Zeiten unterhalten.«
*
»Was hast du jetzt vor?«, fragte Svetlana, während wir durch das Gedränge dem Wagen zustrebten.
»Wir machen uns auf die Suche nach Petra Ziebolds Mutter. Es trifft sich gut, dass sie ausgerechnet in Wuppertal wohnt. Oder gewohnt hat. Vorher statten wir aber Petra Ziebolds ehemaliger Adresse noch einen Besuch ab.«
»Wird das nicht langsam etwas unübersichtlich?«
»Wieso?« Ich blieb an einem Obststand stehen.
»Was machst du denn jetzt?«
»Ich denke, wir haben ein paar Vitamine nötig. Für die Rückfahrt.«
»Also erst haben wir Tristan gesucht«, sagte Svetlana. »Dann Rob Reinsdorf.«
»Dazwischen war Hanna Schneider.«
»Es ist also noch komplizierter.« Svetlana zählte die Kandidaten unserer Recherche an den Fingern ab: »Tristan, die Schneider, Reinsdorf, Petra Ziebold, die Verkäuferin von der Parfümerie und jetzt Petra Ziebolds Mutter.«
Ein Mann mit blauer Schürze fragte mich, was ich wollte. Ich wies auf die rotbackigen Äpfel und verlangte vier Stück.
»Vergiss nicht die geheimnisvolle Rosi.«
»Die auch noch«, sagte Svetlana. »Hast du nicht das Gefühl, dass wir uns immer weiter vom Kern der Sache wegbewegen?«
»Ich finde eher, wir gehen immer weiter darauf zu. Denk daran, was Reinsdorf gesagt hat.«
Sie schüttelte den Kopf. »Erinnere mich nicht daran. Ich glaube, ich habe das, was da passiert ist, vollkommen verdrängt.«
»Er hat gesagt, dass Tristan Sülzbach diese Petra Ziebold unbedingt finden wollte. Und das müssen wir auch tun. Wenn wir ihn finden wollen. Und der Weg dahin kann über die Mutter gehen. Oder diese Rosi. Oder beide.«
»Jetzt ist es halb zwölf, wir haben also noch viereinhalb Stunden Zeit. Viereinhalb Stunden, in denen du das Rotlichtmilieu von Wuppertal durchkämmen willst?«
»Du hast es erfasst.«
»Und wenn wir diese Ziebold-Mutter tatsächlich finden - haben wir dann auch Tristan?«
»Ich bin kein Hellseher. Und außerdem - hast du eine andere Idee?«
Wir hatten den Wagen erreicht. Ich griff hinter den linken Scheibenwischer, zog ein Knöllchen darunter hervor und warf es auf die Straße.
»Aber das kann doch alles gar nicht klappen. Oder kennst du Petras Mutter etwa?«
»Ich nicht, aber vielleicht jemand, den ich wiederum kenne.«
Svetlana ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. »Das wird ja immer schöner. Noch jemand in der Kette.«
»Ja. Aber jemand ziemlich Wirkungsvolles.«
»Wirkungsvoll? Wie meinst du das?«
»Eine Geheimwaffe sozusagen.«
Ich knallte die Tür zu und ließ den Motor an.
*
Der Besuch bei Petra Ziebolds ehemaliger Adresse brachte nichts. In dem Haus an der Frankfurter Straße, einer gesichtslosen Vorstadtgegend, gab es zwei Namen auf den Klingelschildern - »Öztürk« und »Kaya«. Ich versuchte mein Glück, aber niemand öffnete. Hier verloren wir nur Zeit.
»Was ist nun mit deiner Geheimwaffe?«, fragte Svetlana, als wir wieder ins Auto stiegen.
Sie hieß Anja.
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