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Rott sieht Rot

Rott sieht Rot

Titel: Rott sieht Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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Adelsklasse projizierst?«
    »Es gibt keine Adelsklasse«, rief Svetlana. »Sie ist abgeschafft worden, und das ist auch gut so.«
    Mitten in die Diskussion platzte der Handyton. Jutta redete einfach los.
    »Also. Anja hat tatsächlich geheiratet, und zwar letztes Jahr.«
    »Wie hast du das denn rausgefunden?«
    »Es stand in meinem Tagebuch.«
    »Tagebuch? Du schreibst Tagebuch?«
    »Klar. Ich habe Anja letztes Jahr im Herbst, genauer gesagt im November in der Stadt getroffen, und sie hat mir von ihrer Hochzeit erzählt. Sie hat übrigens einen Lateinlehrer geheiratet.«
    »Na, das nenne ich einen Rückzug ins Bürgertum. Weiß der Pauker, wen er da zur Frau hat?«
    »Weiß ich nicht. Davon hat sie nichts erwähnt. Ist das denn so wichtig?«
    »Sag mal, wie hast du das denn so schnell in deinen Tagebüchern gefunden?«
    »Mit der Suchfunktion. Mein Tagebuch ist ein Computer.«
    »Aha. Und wo bist du jetzt gerade?«
    »Bei Agnes. So langsam geht’s ans Umziehen, verstehst du. Die Hochzeit.«
    »Und du hast bei Agnes ein Laptop für dein Tagebuch dabei?«
    »Ja. Es ist etwa so groß wie eine Tafel Schokolade und auch nicht viel schwerer. Man muss mit der Zeit gehen, mein Junge.«
    »Alles klar. Noch eine Frage. Wie heißt der Lateinlehrer, und wo wohnt er?«
    »Sein Name ist Zacharias Müller. Ich kann dir Anjas neue Nummer geben; die habe ich mir damals aufgeschrieben. Wo die beiden wohnen, weiß ich nicht.«
    »Aber Wuppertal ist es, oder?«
    »Ich glaube schon.«
    »Also gut. Her mit der Nummer.«
    Jutta diktierte. Es gab nichts zu schreiben im Auto. Ich sprach die Zahlen laut vor mich hin, damit ich sie nicht vergaß. Dann brach ich das Gespräch ab, tippte die Nummer ein und ließ es klingeln. Niemand meldete sich.
    Ich erzählte Svetlana, was ich erfahren hatte. »Das bringt doch nichts«, sagte sie.
    »Solange ich ein Ziel vor mir sehe, geht es weiter.«
    »Und wenn du diese Anja nicht erreichst? Es ist doch alles viel zu kompliziert …«
    Plötzlich brach sie in Tränen aus. Ich versuchte, ihr die rechte Hand auf die Schulter zu legen, aber ich brauchte beide Hände zum Fahren. Wir durchquerten gerade den Kiesbergtunnel, hinter dem wir Elberfeld erreichen würden. Ich bremste ab, weil am Beginn des Stadtgebiets Starenkästen aufgestellt waren. Dann besann ich mich anders. Ich pfiff auf die Radarkontrolle und raste einfach durch.
    »Fahr vorsichtig«, sagte Svetlana mit tränenerstickter Stimme und rieb sich über das Gesicht.
    »Hast du wirklich gehofft, Tristan in letzter Sekunde von der Hochzeit abhalten zu können?«, fragte ich.
    Sie nickte und wirkte resigniert. »Deswegen wollte ich doch auch an dir dranbleiben. Bei den Ermittlungen dabei sein. Ich hätte vielleicht eine winzige Chance gehabt.«
    »Wir haben immer noch eine«, sagte ich.
    Ich fuhr wie der Teufel durch die Innenstadt; zum Glück gab es in der Nähe des Kasinokreisels einen Parkplatz. Wir stürmten die Treppe zu meinem Büro hinauf und enterten das Arbeitszimmer.
    »Oh Mann, hier sieht’s ja aus!«, entfuhr es Svetlana. Sie hatte Recht: Seit mich Jutta dazu gebracht hatte, für die Baronin den Bräutigam zu suchen, hatte sich nichts verändert.
    »Ich muss die Adresse rauskriegen«, sagte ich und nahm das Wuppertaler Telefonbuch.
    Zacharias Müller war schnell gefunden. Die Adresse war Goerdelerstraße 23. In Vohwinkel. Ich ging zum Telefon und versuchte noch mal mein Glück.
    Nichts.
    »Fahren wir hin, oder warten wir hier?«, fragte Svetlana, die am Fenster stand. Ich ließ mich in den Bürostuhl fallen.
    »Einen Moment.«
    Ich schloss die Augen und zählte langsam. Als ich bei sechzig angekommen war, öffnete ich sie wieder. Svetlana hatte mir den Rücken zugewandt und blickte durch das Fenster über die Dächer.
    Ich stand auf und ging hinüber ins Schlafzimmer. Dort überprüfte ich meine Pistole. Das Magazin war leer. Ich hatte bei Reinsdorf tatsächlich alle Kugeln verschossen.
    Ich lud nach, steckte die Waffe ein und kehrte ins Arbeitszimmer zurück.
    »Jetzt noch mal«, sagte ich und drückte die Wiederwahltaste.
    Es tutete dreimal.
    Dann meldete sich eine männliche Stimme.

18. Kapitel
    Minuten später waren wir auf dem Weg in den östlichsten Wuppertaler Stadtteil.
    Ich hatte zuerst Anjas Ehemann am Telefon gehabt, der mir auf Wunsch seine Frau an den Hörer holte. Ein gewisses Misstrauen war nicht zu überhören gewesen.
    »Remi, ich freue mich ja sehr, dass ich mal wieder was von dir höre. Aber im Moment ist es wirklich

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