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Rott sieht Rot

Rott sieht Rot

Titel: Rott sieht Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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lebte. Und die wurde immer nur ›Rosi‹ genannt.«
    Anja nickte. »Das sagt mir was. Die Rosi von der Kaiserstraße.«
    »Du hast sie gekannt?«
    »Nein, nicht persönlich. Aber der Name war damals im Umlauf.«
    »Das wird sie sein.«
    Anja fuhr mit dem Finger über das Papier. Ich bemerkte, dass sie keinen Nagellack trug - das erste Mal, seit ich sie kannte.
    »Hier ist sie. Tatsächlich.« Sie nannte mir die Adresse.
    »Super. Hast du in deinen Notizen auch den Namen der potenziellen Mitbewohnerin?«
    »Ja. Die steht dahinter. Sie heißt Erika.«
    »Sonst steht da nichts?«
    »Doch. Das Alter. Das habe ich mir damals aufgeschrieben, um eventuellen Minderjährigen auf die Spur zu kommen. Hier war es jedoch anders.«
    »Wieso?«
    »Diese Erika ist schon über fünfzig gewesen, als ich die Information eingeholt habe.«
    »Und wann war das?«
    »1997.«
    Ich rechnete nach: Petra Ziebold war 1955 geboren. Wenn diese Erika, die um 1935 zur Welt gekommen sein musste, ihre Mutter war, hatte sie ihre Tochter mit etwa zwanzig zur Welt gebracht. Es passte.
    »Wie alt war denn diese Rosi?«
    »Habe ich nicht rauskriegen können. Ich habe hier eine Notiz gemacht, die ich selbst nicht richtig lesen kann. Es soll wahrscheinlich heißen, dass sie positiv war.«
    »Du meinst, HIV-positiv?«
    »Ja. Aber das wurde mir nur zugetragen.«
    »Und eine Altersangabe gibt es nicht?«
    »Nein.«
    »Na gut, egal.« Ich sah auf die Uhr: halb drei. »Ich muss mich auf die Socken machen. Das ist wirklich unsere letzte Chance.«
    Anja warf den Ordner zurück in den Karton. »Und du willst mir nicht sagen, worum es genau geht?«
    »Später.«
    »Wenn es Prostitution betrifft, wäre es vielleicht besser, wenn ich ein Gesamtbild hätte.«
    »Ich melde mich, wenn ich deine Hilfe brauche. Jetzt kann ich nicht mehr sagen.«
    *
    Wir gingen wieder hinunter. Aus dem Wohnzimmer am Ende des Ganges kamen Stimmen. Dazwischen ertönte immer wieder ein metallisches, surrendes Geräusch.
    »Was ist da los?«, fragte ich.
    Anja seufzte. »Zacharias’ Freunde sind gekommen.«
    Ich ging den Gang entlang und warf einen Blick in den Raum. Vier Männer knieten auf dem Boden. Mittendrin saß Svetlana mit einer blauen Schaffnermütze und winkte mit einem Handsignal. Ein Wedeln, und das Surren ging wieder los. Es kam von einer Eisenbahn, die in allerlei abenteuerlichen Windungen zwischen einem Couchtisch, einer Essecke nebst Stühlen und hinter dem riesigen Fernseher entlangfuhr. Beinahe wäre ich auf die Schienen getreten.
    »He, die Schranke ist unten, das sehen Sie doch«, sagte Zacharias Müller ärgerlich.
    Tatsächlich war genau vor mir eine Minischranke aufgebaut, mit Stäben so groß wie Strohhalme. Ich trat einen Schritt zurück und rempelte dabei Anja an, die hinter mir in der Tür stehen geblieben war. Im selben Moment rasselte ein Güterzug vorbei. Aus dem Schornstein der schwarzen Lok dampfte es ein bisschen.
    »Das habe ich einmal im Monat«, sagte Anja leise. »Und ich muss immer Schnittchen machen.«
    Ich sah mich im Zimmer um und entdeckte einen großen Teller mit Broten auf dem Esszimmertisch in der Ecke. »Diesmal bist du ja drumherumgekommen.« Laut sagte ich: »Wir müssen los. Lassen Sie sich nicht stören.«
    »Wiedersehen«, rief Zacharias Müller, ohne aufzublicken. Er war gerade damit beschäftigt, für ein Plastikhäuschen, das einen Bahnhof darstellen sollte, einen geeigneten Platz zu suchen.
    Svetlana legte die Bahnhofsutensilien weg, und zwei Minuten später saßen wir im Wagen.
    *
    »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass das funktioniert«, rief Svetlana. Sie war ziemlich entnervt. »Vorjahren hat deine Freundin das letzte Mal von dieser Erika gehört. Selbst wenn das wirklich die Mutter von Petra Ziebold sein sollte, ist seitdem eine Menge Wasser die Wupper runtergeflossen. Und die Freundin, die Aids hat … Wenn die nicht mittlerweile gestorben ist.«
    »Egal«, sagte ich. »Wir probieren das. Die Kaiserstraße ist ganz nah. Das geht schnell.« Im selben Moment strafte mich eine rote Ampel Lügen. Ich klopfte mit den Fingern nervös auf dem Lenkrad herum.
    »Meine Güte, wenn ich an diese Schwachsinnigen da drin denke!«, sagte Svetlana. »Erwachsene Männer, die wie die kleinen Kinder im Wohnzimmer rumkrabbeln und Schaffner spielen.«
    Ich hatte keine Lust, über diesen spießigen Pauker zu diskutieren, und hielt lieber die Uhr im Auge. Sie zeigte zehn vor drei. Langsam wurde es wirklich kritisch. Wenigstens sprang endlich die Ampel

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