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Rott sieht Rot

Rott sieht Rot

Titel: Rott sieht Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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plakatgroße Darstellungen von antiken Tempelresten hingen. Plötzlich schaute er noch einmal zurück und sah auf die Armbanduhr. »Ach - die Jungs kommen in neunzehn Minuten. Was ist mit den Broten?«
    Anja druckste herum; sie wusste offensichtlich nicht, was sie sagen sollte.
    »Die kann ich doch machen«, sagte Svetlana.
    Müller machte ein überraschtes Gesicht. »Lässt du Fremde in deine Küche?« Die Frage war ohne eine Spur von Ironie an Anja gerichtet.
    »Kein Problem«, sagte sie erleichtert. »Es ist ja alles da: Brot, Aufschnitt im Kühlschrank. Achte drauf, dass du Margarine nimmst und keine Butter. Der Cholesterinspiegel…«
    »Ich mache die besten Schnittchen der Welt«, verkündete Svetlana voller Tatendrang und stapfte Müller entgegen. Der starrte sie an, und je näher sie kam, desto mehr hellte sich sein Gesicht zu einem Lächeln auf, das nach und nach in ein erstarrtes Grinsen überging.
    Wir gingen zurück ins Treppenhaus und erklommen die letzte Etage. Oben klappte Anja eine Leiter von der Decke.
    »Hättest du die Liste nicht schon mal holen können?«, fragte ich.
    »Keine Zeit«, sagte Anja. »Wenn seine Freunde kommen, ist es wirklich immer schwierig. Das siehst du doch.«
    »Wie konntest du nur einen solchen Typen heiraten?«, fragte ich.
    »Wo hätte das mit dem Strich denn noch hinführen sollen? Ich brauchte Sicherheit. Ein Zuhause. Pensionsberechtigung. So was. Es haben schon Leute aus ganz anderen Gründen geheiratet.«
    »Da sagst du was. Mein aktueller Fall ist ein schönes Beispiel dafür.«
    Anja kletterte vor, und ich kam nach. Der Dachboden war nicht besonders groß, und es gab auch nur wenig Aufregendes zu sehen. Ein paar Umzugskartons und eingemottete Sportgeräte. Zwei paar Skier, eine über einem Balken hängende weißblaue Plastikplane, die ich als Schlauchboot ohne Luft identifizierte, ein offenbar ausrangierter Hometrainer.
    Anja nahm einen der Kartons und stellte ihn nach unten. Sie zog die oberen Pappdeckel auf. Ich blickte hinein und sah stapelweise Zeitschriften und zerfledderte Taschenbücher.
    »Das sind nicht meine Sachen«, sagte Anja. »Die sind von Zacharias.«
    »Das ist nicht schwer zu erraten.« Ich las einen Titel vor: »Lateinische Sprachlehre. Dass es aber auch ausgerechnet ein Lateinlehrer sein musste.«
    »Latein und Deutsch«, korrigierte mich Anja. »Das ist jetzt aber wirklich das geringste Problem.«
    Ich half ihr, die Kartonstapel abzubauen, damit sie jede Kiste möglichst schnell überprüfen konnte. Was wir brauchten, war natürlich in der allerletzten.
    Sie bückte sich und holte den Inhalt hervor: Stapel von Schnellheftern, Aktenordner, manche Papierstöße noch in den Ablagekästen, in denen sie in Anjas vorheriger Wohnung aufbewahrt wurden.
    »Warum hast du das Zeug nicht einfach weggeschmissen, wenn er es nicht finden soll?«
    »Das ist nicht nötig. Er weiß, dass ich mich mit den Arbeitsbedingungen von Prostituierten beschäftige. Er weiß nur nicht, dass ich selbst eine war.«
    »Und wie habt ihr euch kennen gelernt?«
    »Nicht besonders aufregend. In einem Café. Wir kamen halt so ins Gespräch.« Sie schnappte sich einen der Ordner und blätterte ihn durch. »Mist, das ist es nicht.« Sie nahm den nächsten und öffnete ihn.
    »Du hast ja jede Menge Papierkram angesammelt«, stellte ich fest.
    Sie blätterte wieder. »Ja - ich habe das ziemlich ernst gemeint damals. Ich werde den Gedanken auch wieder aufgreifen.«
    »Was genau suchst du denn jetzt?«
    »Eine Liste. Ich habe ein Verzeichnis von Kolleginnen angefertigt, die ich für mein Vorhaben damals eventuell ansprechen konnte. Auch solche, die ich selbst gar nicht kannte, sondern nur vom Hörensagen.«
    »Wie umfangreich war die Liste?«
    »An die fünfzig Frauen standen schon drauf. Auch Adressen … Ha -hier hab ich sie.«
    Anja zog einen grünlichen Schnellhefter hervor. Sie klappte ihn auf und hielt ihn ins Licht. Ich sah handschriftliche Notizen.
    »Einen Computer hatte ich damals noch nicht«, sagte sie. »Wen hast du noch mal gesucht?«
    »Sie müsste Ziebold heißen. Den Vornamen kenne ich nicht.«
    Sie durchsuchte die Blätter. »Das ist ganz schlecht. Es ist nämlich in den meisten Fällen umgekehrt.«
    »Wie meinst du das?«
    »Was man von Prostituierten zuerst kennt, ist der Vorname. Das kann natürlich auch ein Berufsname sein.«
    »Ein Künstlername sozusagen?«
    »Wenn du so willst, ja.«
    »Da fällt mir noch was ein. Diese Ziebold hatte eine Freundin, die bei ihr

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