Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rott sieht Rot

Rott sieht Rot

Titel: Rott sieht Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
Vom Netzwerk:
sehr ungünstig.«
    »Warum?«
    Anjas Stimme wurde leiser. Irgendetwas klapperte im Hintergrund. Es klang, als sei sie mit dem Telefon in ein anderes Zimmer gegangen oder habe eine Tür geschlossen.
    »Zacharias weiß nichts von meiner Vergangenheit.«
    »Wir müssen sie ihm ja nicht auf die Nase binden.«
    »Heute ist aber wirklich ein schlechter Tag für einen Besuch. Zacharias hat seine Hobby-Kameraden eingeladen.«
    »Na und?«
    »Er ist darin ganz eigen. Kein Besuch, keine Störung. Und ich muss Schnittchen schmieren.«
    In mir brach eine Welt zusammen. Anja vom Island-Ufer machte Schnittchen. Nicht zu fassen.
    »Es ist super-, super-dringend«, sagte ich. »Dein Mann wird nichts rauskriegen. Wir sagen, ich sei ein Schulfreund aus der Grundschule. Schieb einfach alles auf mich. Sag, ich hätte dich praktisch überfallen. Wir behaupten, ich sei heute ganz überraschend in der Stadt und ich würde alte Kontakte abklappern.«
    »Remi, muss das wirklich heute sein?«
    »Es hätte schon gestern sein müssen. Und das meine ich ernst. Es geht vielleicht um Leben und Tod.«
    »Also gut.«
    Mir fiel ein Stein vom Herzen. »Super. Jetzt hör bitte genau zu.«
    Ich erklärte Anja, was sie wissen musste.
    »Ich habe auf dem Dachboden eine Kiste mit alten Unterlagen«, sagte sie. »Dabei ist auch eine Liste mit Namen. Du weißt schon … von den Frauen, um die es ging. Da könnte ich nachsehen.«
    »Genau so was habe ich gehofft. Wir machen, dass wir zu dir kommen. Ich bringe Svetlana mit. Die ist offiziell meine Freundin.«
    »Und inoffiziell?«
    »Reden wir gelegentlich mal drüber. Jetzt drängt die Zeit. Sieh zu, dass du die Liste hast, bis wir da sind. Schau nach, ob es darauf eine Frau mit dem Namen Ziebold gibt.«
    *
    Um Viertel nach eins kamen wir in der Goerdelerstraße an. Anjas bürgerliches Heim war ein altmodisches Mehrfamilienhaus; etwas verwinkelt, mit kleinen Balkons und einer wuchtigen Ausbuchtung, die wie ein angebauter Turm aussah.
    Wir klingelten, und nachdem geöffnet wurde, schnauften wir in den zweiten Stock hinauf. In ein ovales Schild aus gebranntem Ton war das Wort »Müller« in Schreibschrift eingegraben. Ein bunter Schirm stand neben der Wohnungstür in einem Ständer. »Nicht vergessen« stand darauf.
    Mir fiel ein, dass ich gar nicht nach Kindern gefragt hatte. Ob Anjas frische Ehe mit Nachwuchs gesegnet war?
    Als sich die Tür öffnete, wurden meine Gedanken abgelenkt. Das war Anja - und wieder nicht. Das kastanienbraune Haar war geblieben. Aber Anja war deutlich älter, reifer geworden.
    »Remi - du hast dich überhaupt nicht verändert«, rief sie und fiel mir um den Hals. Wenigstens in dieser Hinsicht war sie noch die Alte.
    »Hallo, Anja. Das ist Svetlana.«
    Anja warf ihr einen kurzen Begrüßungsblick zu und sah mich dann verschwörerisch an. Als wollte sie sagen: Hätte ich dir gar nicht zugetraut, alter Junge.
    »Wer ist da gekommen, Anjalein?«, rief eine Männerstimme von hinten.
    »Herr Rott, Zacharias. Der Klassenkamerad. Habe ich dir doch erzählt.«
    Sie flüsterte uns etwas zu: »Ich habe gesagt, dass wir auf dem Speicher nach alten Fotos aus der Schulzeit suchen wollen.« Ich nickte, und im selben Moment kam ein Mann mit schütteren Haaren und randloser Brille den Gang entlang.
    Er trug einen Bart, in dem Weiß und Schwarz durcheinander wuchs. Er sah mich streng an. Diesen Blick kassierten wahrscheinlich Schüler, die ihre Deklinationen nicht gelernt hatten. Er blieb stehen und zog an einer Pfeife, deren Kopf er fest mit der Faust umkrallte.
    »Guten Tag, Herr Müller«, sagte ich möglichst freundlich und streckte ihm die Hand hin. Er nahm sie und begrüßte auch Svetlana. »Das ist Frau Maiwald«, stellte ich weiter vor. »Entschuldigen Sie die Störung am Samstag, aber ich war gerade in der Stadt…«
    »Hat meine Frau schon berichtet. Was wollen Sie denn von uns?« Sein Blick war prüfend. Das Mundstück seiner Pfeife glänzte feucht.
    »Anja sagte mir, sie hätte Fotos aus unserer Grundschulzeit. Die wollte ich mir gern ausleihen. Ich plane ein Treffen, und da möchte ich -«
    Er ließ mich nicht ausreden und wandte sich seiner Frau zu. »Wo sind diese Bilder?«
    »Auf dem Dachboden, denke ich«, sagte Anja. »Ich glaube, ich weiß ziemlich genau, wo.«
    »Braucht ihr meine Hilfe?«
    »Nein, nein«, sagte Anja. »Mach du mal im Wohnzimmer weiter.«
    Er schien erleichtert zu sein, dass wir ihn in Ruhe ließen. Er drehte sich um und ging den Gang zurück, an dessen Wänden

Weitere Kostenlose Bücher