Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Titel: Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Signe Danielsson , Roman Voosen
Vom Netzwerk:
verfolgt hatte. Als wären die Sterne eine Botschaft gewesen, bestimmt für den Märtyrermörder. Spätestens ab Lessebo war dieser Zeuner dem Täter gefolgt, hatte ihn aber nicht vom Töten abgehalten. Nur warum griff er dann jetzt ein? Warum hatte es ausgerechnet hier, in diesem Waldgebiet einen Schusswechsel gegeben? Plötzlich dachte sie an die Frau auf dem Foto. Die Frau mit dem intensiven Blick.
    »Gibt es hier in der Nähe Häuser? Lebt hier irgendwer?«, fragte sie Welch.
    Aus dem Hubschrauber heraus hatte der Wald riesig gewirkt.
    »Nein, das ist ein Naturpark, eine Art Naherholungsgebiet, fünfzehntausend Hektar Wald, durchzogen von Wanderwegen und Joggingpfaden. Im Winter fahre ich hier Ski. Tolle Loipen. Hier draußen wohnt keine Sau.«
    14
    »Wer sind Sie?«, fragte Forss.
    Sie hatte den Mann nach weiteren Waffen durchsucht, aber bis auf ein Portemonnaie und einen Schlüsselbund nichts gefunden. Sein Führerschein hatte ihn als Walter Leonidas ausgewiesen, 66 Jahre alt, andere Papiere hatte der Mann nicht bei sich.
    »Wer Sie sind«, wiederholte sie.
    Leonidas hielt das nasse Handtuch auf seine Nase. Es war schwer zu erkennen, ob die Blutung nachließ. Die wachen Augen über dem bluttriefenden Frottee musterten sie.
    Er sprach, als habe er schweren Schnupfen.
    »Respekt vor dem Schranktritt, das war dumm von mir.«
    »Sie haben meine Handtasche in der Küche gesehen?«
    Er nickte.
    »Dann steht es wohl unentschieden, was die Dummheit angeht.«
    Noch immer hielt sie die Waffe auf ihn gerichtet.
    »Lassen Sie uns offen reden«, schlug Forss vor. »Die Zeit drängt. Jede Minute kann hier jemand auftauchen. Ich weiß nicht, ob das in Ihrem Sinn ist.«
    »Ich denke, Sie sind die Polizei«, näselte er.
    »So in der Art«, sagte sie. Dann: »Also, zum letzten Mal: Wer sind Sie und was haben Sie in Kurt Zeuners Wohnung zu suchen?«
    Wieder sahen die grauen Augen sie lange an.
    »Sie sind keine deutsche Polizistin. Sie tragen keine eigene Waffe bei sich. Aber Sie sind im Umgang mit Schusswaffen und Konfliktsituationen vertraut. Nicht ein Anflug von Panik. Sie handeln routiniert, effizient und überlegt, wenn man vielleicht einmal von Ihrer vergessenen Handtasche absieht. Sie haben definitiv eine Polizeiausbildung, auch wenn Sie hier nicht im Dienst sind. Dazu kommt, dass eben einmal Ihr Akzent durchgebrochen ist. Die Art, wie Sie die Wortendung unbetont gelassen haben. Sie haben lange in Deutschland gelebt, sind aber woanders aufgewachsen. In Skandinavien spricht man so wie Sie eben. Kurt Zeuner ist in Schweden. Sie sind wahrscheinlich eine schwedische Polizistin. Ist Kurt verhaftet worden? Ist er tot?«
    Der Mann war gut, keine Frage. Aber sie durfte sich unter keinen Umständen das Heft aus der Hand nehmen lassen.
    »Jetzt erzähle ich Ihnen eine Geschichte«, sagte sie.
    15
    »Der Kampf ist noch nicht vorbei«, sagte Helena schließlich.
    »Nein?«, fragte Zeuner. Es war eine aufrichtige Frage.
    »Nein. Aber er muss anders geführt werden als früher.«
    Zeuner versuchte sich aufzurichten, aber es gelang nur halbwegs.
    »Wie meinst du das? Alle sozialistischen Befreiungsbewegungen sind seit Langem so gut wie tot. Alle kommunistischen Systeme vor die Wand gefahren. Woran glaubst du noch? China? Kuba? Venezuela? Occupy, Attac oder die Linkspartei? Eine neue RAF?«
    Helena lachte wieder.
    »Aber nein, mein Schatz, nein.«
    »Aber wie dann?«
    Sie kraulte seine Haare.
    »Jede Revolution braucht eine Mobilisierung der Massen.«
    Jetzt war es Zeuner, der lachte.
    »Ich habe meinen Marx und meinen Engels gelesen, Helena. Das Problem besteht doch darin, dass diese vorrevolutionären Verhältnisse nicht herrschen. Nie war die Welt so neoliberal durchdekliniert wie heute. Schau doch nur mal ins neue China, in die USA, nach Deutschland. Oder auch hierher, nach Schweden! Wie willst du den Kampf um das Bewusstsein der Menschen führen? Und wie willst du ihn gewinnen?«
    Helena lächelte. Das Licht, das von ihr ausging, erfüllte den ganzen Raum. Die Luft, die von draußen hereinkam, roch nach Salz und Seetang. Wieder griff sie seine Hand.
    »Das ist im Grunde ganz einfach.«
    Ihre Haut war so weich wie ihre Stimme.
    »Man nimmt ihnen alles, was sie haben.«
    16
    »Das ist eine gute Geschichte«, sagte Leonidas. »Sie sind eine gute Polizistin.«
    Seine Nase hatte aufgehört zu bluten. Er saß mit dem Rücken an die Wand gelehnt auf dem Fußboden, das Handtuch lag in seinem Schoß.
    »Dennoch irren Sie sich in einem

Weitere Kostenlose Bücher