Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)
Märtyrer, Helena Luks. Diese Liebe lebt bis heute in ihm fort und ist so stark, dass er sich unmittelbar auf den Weg nach Schweden macht, um Luks zu beschützen und zu warnen. Das Problem ist, dass Luks vom Radar der ehemaligen MfSler verschwunden ist. Niemand weiß, wie sie heute heißt, wo sie wohnt, ob sie überhaupt noch am Leben ist. Zeuners einzige Chance besteht darin, der Fährte des Rächers zu folgen. Dazu versucht er zunächst, den Mörder unter Druck zu setzen. In Växjö hinterlässt er Zeichen, von denen er hofft, dass sie vom Täter dechiffriert werden können. Ein Stern, wie das RAF-Symbol. Markiert durch Schüsse mit Parabellum-Munition, wie man sie auch in der MP5 von Heckler und Koch verwendet, der Maschinenpistole, die im RAF-Symbol dargestellt ist. Geschossen in die Fassade einer Kirche – als Bezug zu den frühchristlichen Märtyrern – und einer Bank – als Bezug zu den Geschehnissen in Osterode.
Ich weiß, wer du bist, und ich weiß, was du tust sollen diese Zeichen sagen. Breuer begreift. Er beginnt überstürzt zu handeln. Hat er den Tod von Dahlin noch sorgfältig vorbereitet, wird er nun hektischer. Er hetzt nach Lessebo und ermordet Olof Andersson. Zeuners Plan ist aufgegangen. Er hat sich in Lessebo auf die Lauer gelegt und kann die Verfolgung Breuers aufnehmen. Sie führt ihn zunächst zu Frederika Blomqvist, die jetzt Hakelius heißt und in Nordschweden lebt, schließlich in das Waldgebiet in der Nähe von Stockholm. Das Problem: Zeuner und Breuer sind wie vom Erdboden verschluckt, ebenso die fünfte Frau der Wackersdorfer Clique, die Anführerin der Märtyrer: Helena Luks. Wer war die Frau heute? Lebte sie noch? Schwebte sie in Lebensgefahr? Viele offene Fragen.
»Was ist das eigentlich für ein Geräusch im Hintergrund?«
»Ich sitze in einem Hubschrauber«, sagte Ingrid Nyström.
»Ach so«, sagte Stina Forss. Dann legte sie auf. Nachdem sie Zeuners Wohnung gerade rechtzeitig vor den anstürmenden, uniformierten Beamten verlassen hatte, war sie scheinbar ziellos durch die Stadt gestreift. Sie ging und ging. Die wahnsinnige Müdigkeit hatte ihren Körper gegen jede Anstrengung taub gemacht. Erst als sie vor Sebastians Wohnung stand, begriff sie, wohin sie ihr Autopilot geführt hatte. Vielleicht war wirklich alles so einfach. Schweden, ihr todkranker Vater, das alles war mit einem Mal so unglaublich weit weg. Vielleicht lag ihr Glück wirklich da oben im zweiten Stock. Sie musste nur hinaufgehen. Sich zu Sebastian ins Bett legen und ganz nah neben ihm einschlafen. Seine Geborgenheit spüren und seine Liebe. Auf einmal war alles so klar, so richtig.
Wie immer war die Tür im Hinterhaus nicht richtig zu. Sie musste lächeln. Der Hausmeister hatte sich schon vor mehr als einem Jahr darum kümmern wollen. Passiert war noch immer nichts. Es war wie nach Hause kommen. Es war, als sei sie nie weg gewesen. Im Flur stand Sebastians Mountainbike, wie gewöhnlich dreckverkrustet. Sie hatte immer gemocht, dass er diese Touren im Spreewald fuhr. Er war danach immer so jungenhaft zufrieden gewesen. So glücklich, mit seinen Schlammspritzern im Gesicht. Vielleicht müsste sie sich auch einmal so ein Fahrrad anschaffen. Vielleicht könnten sie dann auf gemeinsame Ausflüge gehen. Als sie vor der Wohnungstür stand, hatte sie den Schlüssel in der Hand. Ihr war monatelang überhaupt nicht bewusst gewesen, dass er sich noch an ihrem Schlüsselbund befunden hatte. Sie zögerte. Nein, es war besser, wenn sie klingelte. Sie wollte Sebastian ja nicht überfahren. Sie drückte den Knopf. In der Wohnung das altersschwache Summen der Klingel, die noch aus DDR-Zeiten stammte. Zuerst passierte nichts. Es konnte natürlich sein, dass Sebastian überhaupt nicht zu Hause war. Daran hatte sie gar nicht gedacht. Sie klingelte noch einmal. Jetzt regte sich drinnen etwas. Schritte auf den Holzdielen im Flur. Und endlich ging die Tür auf.
Die Frau, die sie fragend ansah, war groß und schlank und schön. Ihre weiße Unterwäsche bildete einen harten Kontrast zu ihrer schweißglänzenden schwarzen Haut. Dann sah sie Sebastian, der im Hintergrund stolpernd in eine Jeans stieg. Sein entsetzter Blick.
»Stina? Hast du denn meinen Brief nicht bekommen?«
22
Berlin war ein Rauschen. Aber vielleicht war das Rauschen auch in ihr. Ihr Blut, das da in ihren Adern pochte. Ihr Zorn, ihre Wut. Wieder ging sie durch die Straßen, ließ sich treiben vom Strom der Stadt. Weiter und immer weiter. Wolken schoben sich vor
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