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Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Titel: Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Signe Danielsson , Roman Voosen
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klebte an den Spitzen der Gräser und Farne. Eine Schneise zog sich durch das Gräsermeer. Er war jetzt ganz nah, das spürte er. Hinter der Lichtung waren Fußabdrücke im feuchten Moos, Zeuner folgte ihnen über den welligen Waldboden. An einem hausgroßen Felsen sah er schließlich einen roten Handabdruck. Er umrundete mit gezogener Waffe den gewaltigen Findling im Laufschritt. Und dann stand sie plötzlich vor ihm.
    Helena.
    Sie lächelte.
    Der Mann, der vor ihr lag, war tot. In seiner Stirn klaffte ein murmelgroßes Loch.
    Dann erst nahm er den Schatten wahr, der neben ihn trat. Er hörte das charakteristische Zirpen eines Elektroschockers, dann wurde alles um ihn herum dunkel.
    10
    Ingrid Nyström ließ sich durch die Grabreihen treiben. Dann und wann blieb sie für einen Moment stehen und las die Inschriften der verwitterten Grabsteine, Kreuze, Gedenktafeln. All die vor Jahrzehnten oder Jahrhunderten verstorbenen Svenssons, Alfredssons, Norrquists, einfache Frauen und Männer, die seit jeher dem kargen, småländischen Boden ihr schmales Einkommen abgetrotzt hatten. Bauern, die nie aufgegeben hatten. Trotz Hungersnöten, Krankheiten oder Naturkatastrophen. Königinnen und Könige der Steine. Ihre Ahnen. Zum wiederholten Male sah sie auf das Foto in ihrer Hand. Fünf junge Menschen, vier davon waren tot. Aber es gab noch eine fünfte Person. Vielleicht war sie noch am Leben. Vielleicht gab es noch eine Chance. Vielleicht ergab doch alles einen Sinn. Es war ihr Fall, Herrgott noch mal! Sie griff zu ihrem Handy und wählte eine Stockholmer Nummer.
    Eine halbe Stunde später saß sie zum ersten Mal in ihrem Leben in einem Hubschrauber. Von oben sah der Helgasee aus wie ein silberblauer Rorschachtest, der schnell kleiner wurde.
    11
    Forss hielt die Luft an. Sie hörte das Atmen des anderen, ein nahes, rasselndes Geräusch. Die Silhouette der Person nahm nun beinahe die gesamte Höhe der Schranktür ein. Sie stand direkt vor ihr. Sie musste handeln, jetzt! Sie ließ sich in der Hocke nach hinten kippen, sodass ihre Füße frei kamen, dann katapultierte sie ihre angewinkelten Beine mit aller Kraft nach vorne. Die Schranktür flog auf. Es krachte, doppelt. Die Türkante schlug dem Mann im Anzug die Waffe aus der Hand, gleichzeitig zertrümmerte sie sein Nasenbein. Die Pistole flog durch den Raum, der Mann taumelte mit einem röchelnden Schrei nach hinten, Blut schoss aus seinem Gesicht. Forss kam auf die Beine, rammte dem Mann ihr Knie in den Unterleib, ließ sich zur Seite fallen, griff nach der Waffe, drehte sich um, stand wieder auf und nahm den Mann ins Visier. Ihr Atem hämmerte, ihr Puls raste. Sie nahm automatisch die vorgeschriebene Schussposition ein, beide Arme ausgestreckt, Beine leicht auseinander, volle Konzentration auf das Ziel. Der Mann rappelte sich stöhnend auf, beide Hände im Gesicht.
    »Arme hinter den Kopf!«, rief sie. »Polizei!«
    Das stimmte zwar, aber irgendwie auch nicht.
    Der Mann gehorchte. Er war alt, weit über sechzig, und trug einen Sommeranzug. Helle, wache Augen. Darin: Schmerzen, aber keine Panik. Ein Profi, auch wenn sein Alter sie irritierte.
    »Dienstausweis!«, forderte sie, die Waffe immer noch im Anschlag.
    Ununterbrochen lief Blut aus seinem Gesicht, färbte sein weißes Hemd ein und die beige Krawatte. Forss konnte es kaum glauben, aber tatsächlich verzog er seine dünnen Lippen zu einem feinen Lächeln.
    »Ich fürchte, den musste ich vor zweiundzwanzig Jahren abgeben.« Seine Stimme klang so nasal, als spräche er durch einen Trichter. »Und wenn es Ihnen keine Umstände macht, hätte ich jetzt gerne ein feuchtes Handtuch.«
    12
    Das Erste, was Zeuner wahrnahm, als er wieder zu sich kam, war der Geruch von Möbelpolitur und gewachstem Parkett. Er befand sich in einem hohen, hellen Raum und lag ausgestreckt auf einem Sofa. Jemand hatte ihm ein Kopfkissen in den Nacken geschoben, wenn er sich darauf konzentrierte, konnte er sogar die einzelnen Daunen spüren.
    »Kurt, bist du wach?«
    Es war ihre Stimme. Helenas samtene Stimme, die er zweiundzwanzig Jahre lang vermisst hatte.
    Er richtete sich auf. Sein Brustkorb schmerzte und ihm war leicht übel, aber er wollte sie ansehen. Wollte ihr aufrecht gegenübersitzen. Sie lächelte. Ihre kühle Hand lag auf seiner Stirn. Sie war älter geworden, aber das Alter hatte ihrer Schönheit nichts anhaben können, im Gegenteil. Ihre Hand duftete nach Flieder und Rosenholz.
    »Helena«, sagte er. Was sollte er sonst sagen? Es gab sonst

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