Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)
aus dem McDrive in Norremark geholt hatten, dann haben sie Bier getrunken und anschließend haben sie wohl ...«
Lindholm sah konzentriert auf seinen Notizblock. So als habe er Schwierigkeiten, seine eigene Schrift zu erkennen.
»... Liebe gemacht.« Er räusperte sich.
»Wo die Liebe so hinfällt«, murmelte Hultin.
»Was?«, fragte Delgado.
»Nichts«, sagte Hultin und zog eine Schnute.
»Und haben sie etwas gesehen? Jemanden bemerkt?«, wollte Nyström wissen.
»Nichts Außergewöhnliches jedenfalls. Was sich nachts im Sommer eben so auf Hissö rumtreibt. Jugendliche auf ihren Motorrollern. Touristen in einem Wohnmobil. Und auf dem Wasser Angler.«
»Danke, Göran«, sagte Nyström. Sie rieb sich das Gesicht, ihre Augen brannten. Der erste Ermittlungstag war noch nicht einmal beendet und dennoch fühlte sie sich bereits müde. Sie wies mit einer vagen Geste auf das vollgeschriebene Whiteboard hinter sich.
»Ich versuche, noch einmal das Wichtigste zusammenzufassen: Janus Dahlin, einundfünfzig, ein Lehrer ohne feste Stelle, linkspolitisch engagiert, wird von Pfeilen erschossen und grausam misshandelt auf dem Parcours eines Turniers für historisches Bogenschießen aufgefunden. Allerdings ist der Fundort nicht der Tatort. Getötet wird Dahlin ebenso wie sein Hund auf Musön, einer Insel im Helgasee, nicht weit vom Fundort entfernt und mit einem Boot gut zu erreichen. Alles deutet darauf hin, dass der Täter von seiner Gewohnheit, morgens lange Spaziergänge zu unternehmen, wusste und ihn auf Musön in einen Hinterhalt gelockt hat. Die Tatwaffe war aller Wahrscheinlichkeit nach eine Harpune, was uns zu den Bogenschützen und ihrem Turnier zurückführt. In welchem Zusammenhang steht Dahlin zu dieser Veranstaltung? Hat einer der Teilnehmer mit dem Mord zu tun? Es muss irgendeine Verbindung geben. Das bedeutet für uns eine Menge Arbeit. Im Grunde müssen wir für jeden der Sportschützen, auch für die Auswärtigen, selbst für das Personal in Humlehöjden einen Lebenslauf, ein Portfolio erstellen und auf Verbindungen zu Dahlin untersuchen.«
»Vielleicht wollte der Täter genau das«, sagte Delgado. »Dass wir unsere ganzen resources in mehr als fünfzig backgroundchecks stecken. Wir brauchen definitiv mehr man-power .«
»Kannst du das nicht auch auf Schwedisch sagen?«, fragte Hultin.
»Sorry«, sagte Delgado.
»Warum sollte der Täter so etwas wollen«, fragte Nyström. »Aber natürlich sollten wir zum jetzigen Zeitpunkt nichts ausschließen. Ich werde mich bemühen, Unterstützung zu organisieren. Edman wird sich da nicht querstellen. Die Presse macht ja jetzt schon Druck. Irgendein Journalist hat vom Wasser aus ein Foto geschossen, als der Leichnam abtransportiert wurde. Man sieht die Pfeile und alles andere auch. Das Bild ist bereits in den Online-Ausgaben der Zeitungen. Edman hat für morgen Vormittag eine Pressekonferenz anberaumt.«
»Wenn er eins kann, dann ist es vor Kameras stehen und lächeln«, knurrte Knutsson.
»Dazu bekommen wir morgen früh erste Berichte von Ann-Vivika Kimsel und Bo Örkenrud. Vielleicht bringen uns die schon ein Stück weiter. Habe ich sonst noch etwas vergessen?«
»Er war sehr hilfsbereit, meinte sein Nachbar. Ein Bastler und Tüftler. Mit einem Faible für Jazzmusik«, sagte Knutsson.
Forss dachte an die CDs in Dahlins Wohnzimmer. An die seltsame Apparatur in seinem Schuppen. Die kindliche Sinnlosigkeit dieser technischen Bastelei. Den Sexfilm auf seinem Rechner. Das Foto seiner schönen Freundin über dem Schreibtisch.
»Wie kann man so etwas nur tun?«, fragte Hultin und sprach aus, was alle dachten. »Wie kann man so etwas einem anderen Menschen nur antun?«
21
Als Stina Forss bei der kleinen Hütte am See ankam, stieg Rauch aus dem windschiefen Anbau, in dem sich die Sauna befand. Der Innenraum war aufgeräumt und der Abwasch gemacht. Von Oleg und den dänischen Jungs keine Spur, allerdings parkte Olegs alter Fiat immer noch draußen in der Einfahrt. Neben dem Mülleimer standen drei leere Wodkaflaschen. Forss sah aus dem Fenster hinaus über das Wasser. Die dunkle Oberfläche war vollkommen eben. Keine zehn Kilometer entfernt war am anderen Ufer am Morgen ein Mann getötet worden. Sie atmete tief ein und langsam wieder aus. Dann zog sie ihr T-Shirt über ihren Kopf, knöpfte ihren Jeansrock auf und ließ ihn auf den Boden fallen. Sie streifte ihre verschwitzte Unterhose vom Körper. Im Kühlschrank fand sie ein Bier, das sie mit nach draußen
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