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Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Titel: Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Signe Danielsson , Roman Voosen
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nahm.
    »Stina?«, kam Olegs Stimme aus der Sauna.
    »Gleich«, rief sie.
    Sie stellte die Bierdose auf der Bank vor dem Steg ab, dann nahm sie Anlauf und sprang kopfüber ins Wasser.
    22
    »Geben Sie Ihrem Leben eine Wendung«, hatte die junge Ärztin zu Zeuner gesagt. »Finden Sie einen Sinn! Gehen Sie raus und leben Sie!«
    Sie war hübsch gewesen, auf eine rustikale Art, bestimmt ernährte sie sich von Vollkornbrot und Milchprodukten. Auf jeden Fall gehörte sie zu den Guten. Und sie hatte ja recht gehabt. Trotzdem war das mit dem Sinn und dem Leben so eine Sache. Zeuner war sich nicht sicher gewesen, ob seine Kreuzworträtsel und Sudokus dafür herhielten, aber wenigstens halfen sie ihm gegen die Nervosität.
    »Ein Infarkt ist keine Erkältung, Herr Zeuner. Es ist kein Virus, den man sich einfängt, sondern das Ergebnis eines langen Prozesses. Eine kontinuierliche Aneinanderreihung falscher Entscheidungen. Sie sind als ein sehr kranker Mann zu uns gekommen«, hatte sie gesagt und ihre Wangen waren apfelrot gewesen. »Und alkoholkrank, das werden Sie Ihr Leben lang bleiben.«
    Er hatte so schuldbewusst genickt, wie man eben nickt, wenn man seiner Ärztin gegenübersitzt. Er kannte die Phrasen und Beschwörungsformeln längst aus den Broschüren, die man ihm ans Bett gelegt hatte.
    »Aber über den Rest bestimmen Sie selbst. Sie können jetzt da rausgehen und sich endgültig kaputtsaufen ...«
    An dieser Stelle hatte sie ihr Kinn geneigt und ihn über den Rand ihrer Brille hinweg streng angeschaut.
    »Oder?«, hatte er leise gefragt, weil er wusste, dass sie auf diese Frage wartete.
    Sie hatte ihn lange gemustert und er ahnte, was sie gesehen hatte. Ein graues Elend in einem unförmigen Jogginganzug.
    »Darauf müssen Sie selbst eine Antwort finden. Schauen Sie in Ihr Herz.«
    Noch so ein Kalenderspruch. Aber ihre Augen hatten geblitzt, so als glaubte sie an ihre Worte.

    Das war drei Monate her. Ein Vierteljahr, in dem er keinen Tropfen Alkohol zu sich genommen hatte. Die erste Zeit war hart gewesen: Er hatte sich durch die Tage gezittert und durch die Nächte geschwitzt. Er hatte sich zu Tode gefroren und mit Feuerwesen gekämpft. Er hatte dafür gebetet, das Bewusstsein zu verlieren. Er hatte geschlafen und sich gleichzeitig dabei beobachtet. Er war wach gewesen und hatte nicht im Ansatz begriffen, was mit ihm geschah. Einmal hatte er zwei Stunden ohne Unterbrechung geweint, ein anderes Mal hatte er einen Anfall bekommen und sich die Zugänge aus den Armen und den Katheder aus dem Penis gerissen. Und irgendwann hatte er aufgegeben. Dann war es passiert.
    Helena war zurückgekehrt. Sie war zu ihm gekommen wie ein Engel. Dabei war es kein Traum, auch keine Vision, da war er sich sicher. Es war ein tiefes, inneres Erleben. Vielleicht sogar auf eine bestimmte Art und Weise religiös, auch wenn er nicht an einen Gott glaubte. Selbstverständlich konnte sie nicht wirklich da gewesen sein, nicht wirklich neben ihm am Bett gesessen haben, in der Nacht, im Krankenhaus zwischen den Schläuchen und Maschinen. Er hatte sie seit dreiundzwanzig Jahren nicht gesehen. Und doch war sie bei ihm gewesen. Er hatte sie gerochen, ihr braunes langes Haar berührt. Wie Verbandsmull hatte es sich auf seine heiße Stirn gelegt. Es war echt gewesen, es hatte stattgefunden, in ihm.
    Von da an hatte ihn das Bild von Helena durch die Tage und Nächte begleitet. Wie ein Leitstern, hatte er gedacht. Viele Jahre hatte er die Gedanken an sie wie an alles andere mit Schnaps zugeschüttet. Das war ihm nun klar. Jetzt, wo der Alkohol weg war, waren die Erinnerungen an seine Gefühle wieder zurückgekehrt. Er verstand den Zusammenhang. Es war psychologisch schlüssig.
    Eigentlich.
    Wenn er nicht das Gefühl gehabt hätte, dass da noch mehr wäre.
    Etwas, das über seinen Entzug hinausging und das dennoch mit Helena zu tun hatte.
    Etwas, das er gesehen oder gehört hatte, vor Tagen, vor Wochen. Im Delirium.
    Ein Name im Nebel. Eine Erinnerung an eine Erinnerung.

    Nachdem er entlassen worden war, besuchte er regelmäßig die Treffen. Der dünne Kaffee, der dort in unvorstellbaren Mengen getrunken wurde, und die Geschichten der anderen ekelten ihn an, weil er sich in ihnen widerspiegelte, trotzdem fand er in der Runde auf merkwürdige Weise Halt. Er nahm an einer Wiedereingliederungsmaßnahme des Arbeitsamtes teil. Dort zeigte man ihm und anderen älteren Erwerbslosen, wie man Lebensläufe schrieb und mit Computern umging. Für einen Mann mit seinen

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