Rotzig & Rotzig
ihre Arme unter seinen Ellenbogen fest und drückte ihr mit beiden Händen die Gurgel zu, während er sie fickte.“
„Wer?“
„Na, unser Herr Klassenlehrer.“ Sie nahm noch einen Schluck, starrte ins Leere. „Der heutige Oberbürgermeister-Kandidat.“
Hausverbot, dachte ich und trat das Gas. Das wollen wir doch mal sehen.
Brettschneider hatte sich damals als Opfer eines Erpressungsversuchs dargestellt und die Tat kalt geleugnet. Ohne weitere Zeugen als die beiden Mädchen wurde >die Angelegenheit dann vertuscht. Babs hielt man ihren Drogenmissbrauch vor, ihren Lebenswandel. Und Yvonne wurde selbst von ihrer tief religiösen Mutter als verlogene Schlampe dargestellt. Und dann auch noch an einer Abtreibung gehindert. Beide Mädchen verließen kurze Zeit später die Schule mit überdurchschnittlich guten Abschlüssen. Und ein paar Monate darauf kamen Üffes und Sien zur Welt. Hausverbot? Leck mich. Ich parkte die Carina mitten auf dem Schulhof, direkt unter Brettschneiders Fenster. Noch nicht ganz aus dem Auto, und der Hausmeister kam angerannt und warf sich mir buchstäblich in den Weg.
„Kollege“, sagte ich zu ihm, „ich muss nur kurz ...“ Doch er hatte seine Anweisungen und drohte mir mit den Bullen. Also stieg ich wieder in den Wagen, klopfte den Gang rein und umkurvte das Gebäude auf der Suche nach dem Lehrerparkplatz.
Ich brauchte nicht lange zu kurven. Dr. Brettschneider fuhr eine C-Klasse, und er fuhr sie mit jaulenden Reifen. Erst wollte ich instinktiv hinterherhetzen, doch dann ließ ich ihn ziehen. Noch vom Parkplatz am Uhlenhorst aus hatte ich seine Frau angerufen und mir unter dem Vorwand, Paketfahrer zu sein, ihre Adresse geben lassen. Lohbecker Berg, direkt am Witthausbusch. Nicht übel.
„Was wollen Sie denn von meinem Gatten?“
Für einen Moment stand ich da wie ein Idiot. Die Frage hatte sich mir noch gar nicht gestellt. Und wenn, hätte ich sie nicht beantworten können.
„Ich möchte ihn sprechen“, antwortete ich deshalb in aller Schlichtheit.
Im Grunde hätte ich mir den Weg sparen können. Es gab nicht den Hauch einer Aussicht, dass Brettschneider seine Tat gestehen und seinen Vaterpflichten nachkommen würde. Ja, es war, alles in allem, nicht mal mehr wünschenswert. Das machte meinen Besuch hier, zumindest, was die Zwillinge anging, vollkommen sinnlos. Trotzdem blieb ich.
„Könnten Sie etwas spezifischer werden?“ Frau Brettschneider war eine grau gesträhnte, schnurrbärtige Mittvierzigerin, die sich irgendwie aufgegeben zu haben schien. „Mein Gatte hat sich gerade erst hingelegt, und ohne triftige Begründung werde ich ihn kaum stören.“
„Ihr Gatte weiß schon, worum es geht.“ Ich setzte mein stoischstes Gesicht auf und stand da, als ob ich entschlossen wäre, Wurzeln zu schlagen. „Warten Sie“, sagte sie.
Vielleicht wollte ich ihm einfach nur ins Gesicht sehen, wenn er erfuhr, dass ich Bescheid wusste. Ja, ich denke, ich wollte es arbeiten sehen hinter der Politikerfassade, wollte ihn erst drohen, dann verhandeln, dann flehen hören, doch bitte, bitte nicht seine Reputation zu zerstören, all seine Hoffnungen und seine Chancen auf das ersehnte Amt.
Nüchtern betrachtet hatte ich nichts gegen ihn in der Hand, nur die Aussage einer ehemaligen Prostituierten und heutigen Maklergattin, die mir klipp und klar zu verstehen gegeben hatte, dass sie ihre Darstellung unter keinen Umständen vor der Kripo wiederholen oder zu Protokoll geben würde. Ich konnte ihm nichts, außer ihn mit seiner Tat zu konfrontieren.
Doch als Frau Brettschneider die Tür wieder öffnete, wusste ich augenblicklich, dass es selbst dazu nicht mehr kommen würde. Ihre Haut zeigte diese zutiefst ungesunde Blässe eines Menschen im Schockzustand. „Das ist einzig und allein Ihre Schuld“, flüsterte sie, als ich mich an ihr vorbeidrängte. Er hing auf dem Dachboden. Ich schnitt ihn mit einem Brotmesser runter, und er krachte auf die Dielen, fiel in sich zusammen, lag da. Kein Puls mehr, keine Atmung, kein Lebenszeichen.
„Das ist alles Ihre Schuld“, flüsterte seine Frau, wieder und wieder.
Ich rief den Notarzt, dann die Bullen, Frau Brettschneider die ganze Zeit an meinen Hacken. „Ihre Schuld“, wisperte sie. „Warum konnten Sie ihn nicht in Ruhe lassen? Das ist doch alles schon so lange her. Dieses Flittchen wollte es doch nicht anders, wollte es nicht anders, wollte es.“
Hauptkommissar Menden kam, sah mich, schloss kurz die Augen, seufzte und ging dann wortlos an
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