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Rotzig & Rotzig

Rotzig & Rotzig

Titel: Rotzig & Rotzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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mir vorbei.
    „Ihre Schuld“, flüsterte Frau Brettschneider auf mich ein. „Ihre ganz allein.“

TAG 6
    Luxemburg. Von allen Orten dieser Welt waren Yves und Sean ausgerechnet nach Luxemburg verfrachtet worden. Und ihre Mutter, von allen Menschen dieser Welt, hatte den Zettel mit der Adresse verlegt. Ich blaffte sie ein bisschen an dafür, Kopfschmerzen hin oder her. Siebling meinte, intervenieren zu müssen, also blaffte ich auch ihn an, bis er den Schwanz einzog und sich wieder in seine Fantasiewelt verdrückte. Noch während Yvonne, das Haar in fettigen Strähnen im Gesicht, fahrig herumsuchte, klingelte das Telefon. Keiner reagierte, also ging ich dran. „Hey, Hausmeister, bist du das?“ Yves, wenn es nicht Sean war. „Gib ma die Olle.“
    Ich reichte den Hörer weiter, sagte: „Ich muss die beiden auch noch sprechen.“
    Die Mutter hatte keine Fragen. Sie horchte nur, nickte, machte, „Hm, hm“, sagte: „Ja gut.“ Und legte auf. Ich musste mich unmenschlich hart am Riemen reißen, um sie nicht dafür anzubrüllen.
    „Es geht ihnen gut“, sagte sie. „Ich soll ihnen den Panda und den Dackel hinterherschicken. Weiß gar nicht, wo sie die Viecher haben ...“
    „Frau Kerner, geben Sie mir einfach die Adresse, und ich bringe Yves und Sean die Tiere persönlich vorbei.“ Sie sah kurz auf, von einem Zettel in ihrer Hand. „Wem?“, fragte sie.
    Luxemburg also. Echternach, um genau zu sein. Ein hübsches, leicht verschlafenes Städtchen am Grenzfluss Sauer oder Süre, das hauptsächlich vom Einkaufstourismus zu leben scheint. Sprit, Schnaps, Zigaretten.
    Nach etwas über drei Stunden Fahrt stand ich vor Yves und Seans neuer Adresse, ziemlich weit außerhalb der Stadt, die Gegend sehr adrett unter einer geschlossenen Schneedecke, ländlich, hügelig, bewaldet. Aus Bruchstein gemauerte Säulen mit schmiedeeisernen Zaunelementen dazwischen zogen sich ein gutes Stück die Straße entlang, in der Mitte ein Tor. In der Säule rechts davon eine Klingel mit Gegensprechanlage. Irgendwo hing ganz sicher eine Kamera, doch ich renkte mir jetzt nicht den Hals danach aus. Sieht immer komisch aus, auf dem Überwachungsmonitor.
    Marie-Therese, Jean-Luc und Ann-Kathrin Reiff stand auf dem Klingelschild. Ich drückte den Knopf. „Oui?“, kam es reichlich hochtrabend aus dem Lautsprecher, eigentlich ein Kunststück bei einem Wort mit gerade mal drei Buchstaben.
    „Ich habe ein Päckchen für Yves und Sean Kerner abzuliefern“, sagte ich.
    Ich hatte dann doch noch Gelegenheit bekommen, mir durch Herumbrüllen Luft zu verschaffen, als Polizeiobermeister Schuster sich weigern wollte, die zusammen mit dem Diebesgut beschlagnahmten Kuscheltiere rauszurücken.
    „Bitte kommen Sie hoch zum Haus.“ Ein Summer summte und eine in die stählerne Torkonstruktion eingelassene Tür schnackte auf und hinter mir wieder zu. Die von Nadelbäumen gesäumte Auffahrt schwang sich elegant hügelan. Ich folgte breiten Reifenspuren durch den Neuschnee. Ich würde Yves und Sean nichts von ihrem Leiblichen erzählen. Vom Stief, von der Mutter und nun auch noch vom Erzeuger alleingelassen, das wollte ich ihnen nicht zumuten.
    Der Mutter schon. „Eigentlich bin ich gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass sich Kurt Brettschneider erhängt hat“, hatte ich gesagt, kaum dass ich durch die Tür war. Keine Reaktion.
    Das ist das mit Abstand Hassenswerteste am Umgang mit Süchtigen, diese Stumpfheit, diese Teilnahmslosigkeit, dieser Mangel an jeglichem Interesse außer dem an der nächsten Dosis.
    „Kurt Brettschneider“, hatte ich wiederholt, und sie war in eine ihrer schmerzgeplagten Posen verfallen, weil ich die Stimme gehoben hatte. „Der Name sagt Ihnen doch was?“
    „Das ist alles schon so lange her“, hatte sie gemurmelt und sich in ihre Decke verkrochen. „Das ist alles schon so lange her.“ Und mehr nicht.
    Am oberen Ende der Auffahrt wartete eine Villa, oder eher ein kleines Landschloss im französischen Stil, idyllisch in einen weitläufigen Park geschmiegt. So möchte man gern wohnen, die Kosten mal für eine Sekunde außer Acht gelassen.
    Ein Stück weit hinter dem Haus ragte ein Felsen aus dem Boden wie ein vom Himmel genau auf die Grundstücksgrenze gefallenes, gigantisches Ei. Der Park war selbst im Winter bestrickend schön, den Rest des Jahres musste er traumhaft sein. Reifen und Schaukeln hingen aus den alten Bäumen, ein hölzerner Nachen dümpelte auf dem zugefrorenen Schlossteich, in dessen Mitte eine Plattform auf

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