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Rotzig & Rotzig

Rotzig & Rotzig

Titel: Rotzig & Rotzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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die Schwimmer des Sommers wartete.
    Ein rundliches, schmuddlig-weißes Pony lief frei herum, bemerkte uns, kam rüber und machte sich nach kurzer Begrüßung einen Spaß daraus, Struppi mit gesenktem Kopf und gebleckten Zähnen vor sich herzuscheuchen.
    Fand der überhaupt nicht lustig. Humor ist, wie schon erwähnt, nicht so sein Fall. Ein Kinderparadies also. Bloß ohne Kinder. Eine breite Treppe führte hoch zur Haustür, vor dem Fenster darin ein Gitter, genauso vor sämtlichen anderen Fenstern des Erdgeschosses. Alte Gitter, schmiedeeisern, sehr dekorativ, doch Gitter nichtsdestotrotz. Ich klingelte, die Tür schwang auf, und ich stand Marie-Therese gegenüber, ich wusste es einfach. Sie war der knochige, verknöcherte Typus. Strickjacke, Bluse, Halstuch, langer Rock, Filzpantoffel. Aristokratische Haltung, Halbgläser weit vorn auf der Nase, über die hinweg sie einen warnend anstarrte. „Sie sind kein Lieferant.“ Ah, und messerscharfe Stimme, nicht zu vergessen. „Das habe ich nie behauptet.“
    „0 doch!“, kam es zurück, mit einer gemessen am Anlass erstaunlichen Vehemenz. Herrin dieses Hauses, seit einem halben Jahrhundert unwidersprochen, und jetzt ich. „Gerade unten am Tor haben Sie sich mit der Behauptung Zugang zum Grundstück verschafft, Sie hätten etwas anzuliefern.“
    „Nun, das habe ich auch. Da mich das technisch gesehen jetzt doch zu einem Lieferanten macht, ist ja eigentlich alles in Butter.“
    Sie starrte mich einen Augenblick lang an und zermarterte sich das Hirn über der Frage, wie sie aus dieser Nummer wieder rauskommen sollte, ohne an Autorität einzubüßen. „Nun denn“, schnappte sie schließlich. „Dann liefern Sie. Und erwarten Sie kein Trinkgeld. Dafür ist mir Ihre Haltung um einiges zu impertinent.“
    „Leider“, log ich, „lautet mein Auftrag, das Päckchen nur an die Adressaten persönlich auszuhändigen, namentlich an Yves und Sean Kerner.“ Und ich schenkte ihr dieses halb verlegene Lächeln, das manche als charmant empfinden.
    „Ausgeschlossen.“ Manche, wie gesagt. „Für wen halten Sie sich, hier Bedingungen zu stellen?“
    „Mutter.“ Es klang so mahnend wie resigniert. Jean-Luc Reiff trat zwischen uns, im Fellmantel, gefütterte Stiefel an den Füßen. „Lass mich das regeln, ja?“ Mutter Reiff wich zögernd zurück ins Haus, ihr Mund ein Strich wie von einem frisch gespitzten Bleistift, Härte H. „Denke daran, dass der Weg zu meinem Haus noch geräumt und gestreut werden muss“, zischte sie. „Ich habe keine Lust, mir den Hals zu brechen, nur weil du die Domestiken nicht im Griff hast.“
    „Ja, Mutter.“ Jean-Luc Reiff trat vors Haus, zog die Tür zu und atmete unmerklich auf. Er war groß, kräftig, das dunkle Haar dicht, sein Blick offen. Eine leise Vorahnung sagte mir, dass es mich unter Umständen mehr als diesen Versuch kosten könnte, zu den Jungs vorzudringen, also hielt ich mich von hier ab strikt an die Wahrheit. Die kann einem keiner widerlegen. Ich reichte Reiff meine Karte. „Ich muss die Jungs sprechen, Herr Reiff. Die Zwillinge. Meiner Ansicht nach hat ihnen irgendjemand einen grausamen Streich gespielt. Vielleicht haben die beiden ja einen Hinweis für mich, wer das gewesen sein könnte.“
    Jean-Luc Reiff sah von der Karte auf. „Privatdetektiv? Nicht, dass ich Ihnen zu nahe treten möchte, Herr ...“, er studierte meine Karte noch mal,“... Kryszinski, doch Privatdetektiv kann sich in Deutschland jeder nennen, oder?“
    „Was - ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, Herr Reiff - sind Sie noch mal von Beruf?“
    „Diamantenhändler.“
    Ich zog die Brauen hoch. „Dito, oder?“
    Er blieb gelassen. „Nun, man sollte zumindest eine kaufmännische Ausbildung haben.“
    „Sollte“, echote ich.
    Einen Augenblick lang sahen wir einander in die Augen.
    Dann grinsten wir.
    „Okay“, sagte ich. „Zum Privatdetektiv braucht man nicht mehr als einen Gewerbeschein. Nur: Sich so zu nennen und tatsächlich sein Geld damit zu verdienen, sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe.“
    Er drehte meine Karte um, wieder nach vorn. „Keine Handynummer? In Ihrem Beruf?“
    „Eine Glaubensfrage. Je mehr Leute mir erzählen, dass ein Leben ohne Handy unmöglich ist, desto weniger glaube ich daran.“
    Er dachte einen Moment darüber nach, nickte dann, schnappte sich eine neben dem Hauseingang lehnende Schneeschaufel. „Es macht Ihnen doch nichts aus, mir ein bisschen Gesellschaft zu leisten? Der Gärtner liegt mit

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