Rotzig & Rotzig
vorher seiner Klamotten entledigt zu haben. Stehen und schweigen ist besonders knifflig. Plötzlich wachsen einem Arme, mit Händen dran, die einem vorher noch nie so aufgefallen sind. Ich ging einen Schritt, porkelte mir mit dem kleinen Finger im Ohr herum, lehnte mich schließlich mit dem Rücken an die Wand, steckte eine Hand in die Hosentasche, zupfte mit der anderen an der Seitennaht meiner Jeans herum, sah wieder Leblanc an. Er hatte die Augen keine Sekunde von mir gelassen. „Der Verwundete weist eine erhebliche Verletzung am Hinterkopf auf. Ganz so, als habe ihn jemand niedergestreckt, mit einem Stein, etwa.“
Darauf war ich natürlich vorbereitet. „Ja, wie es aussah, war er mit dem Kopf auf einen Stein aufgeschlagen, der aus dem Boden ragte.“
„Dazu hat er eine Platzwunde an der rechten Braue und eine tiefe Bissverletzung in der linken Wade.“
„Die Platzwunde habe ich gesehen. Von einer Bisswunde weiß ich nichts.“
So, jetzt beweis mir das Gegenteil oder lass mich gehen, Bulle.
Leblanc senkte das erste Mal seit unserer Begegnung den Kopf. Meine Stimmung hob sich. Er lupfte ein Eckchen meines Personalausweises mit dem Fingernagel an. Ich löste mich von der Wand. Leblanc sah wieder auf, und das Eckchen meines Ausweises machte schnack. „Und Sie haben den Verletzten tatsächlich nicht als Claude Berck wiedererkannt, den Polizeibeamten, der Sie erst gestern auf offener Straße verhaftet und einer äußerst demütigenden Behandlung unterzogen hat?“ Ich weiß alles, stand in seinen Augen geschrieben. „Also gut.“ Schluss mit dem Geplänkel, entschied ich. Raus mit der Wahrheit. Ich lehnte mich wieder an die Wand und gab Leblanc eine emotionsbefreite Schilderung des Geschehens von dem Augenblick an, in dem Berck von seinem Quad stieg. Nur den Namen Reiff ließ ich raus und auch den Alarm, den ich ausgelöst hatte. Leblanc schnalzte skeptisch mit der Zunge. „Bisschen dünn“, fand er. „Hauptsächlich, was Bercks Motive angeht, oder nicht? Sich selbst mit dem Gummiknüppel vor den Kopf zu schlagen, nur um anschließend auf Sie losgehen zu können?“
„Ich denke, der Mann hat Probleme, gehört in Behandlung. Auf alle Fälle hat er ohne ersichtlichen Grund nichts unversucht gelassen, mich zu schikanieren, seit ich in Echternach angekommen bin.“
„Was genau ist eigentlich der Zweck Ihres Aufenthaltes hier, Herr Kryszinski?“ Wieder dieses Funkeln in seinen Augen. Als ob er die wahre Antwort schon wüsste und sich still darauf freute, mich damit zu konfrontieren. „Urlaub“, antwortete ich trotzdem mit großer Selbstverständlichkeit, schickte dann aber idiotischerweise noch „Winterurlaub“ hinterher.
Leblancs Blick wanderte an mir hinab. Hinab bis zu meinen zerfransten Basketballtretern. Ich hätte mir in den Arsch beißen können.
„Sehr überzeugend, Herr Kryszinski.“ Er sah mir wieder direkt in die Augen. Seine waren von hellem Braun, wie Kork, etwa. Und ungefähr genauso leicht zu durchschauen. „Ich denke, Sie haben Claude Berck entweder aufgelauert oder aber die Gelegenheit einer zufälligen Begegnung genutzt, ihn von hinten mit einem harten Gegenstand niederzuschlagen. Vermutlich, um sich an ihm zu rächen. Sie sind hiermit verhaftet.“ Die Aussicht auf das kleine Zimmer mit der Tür ohne Klinke schnürte mir die Luft ab. Warum nur hatte ich das uniformierte Arschloch nicht in einer Schneewehe verbuddelt und sein Quad in der Süre versenkt? „Für wie lange?“, fragte ich mit rauer und möglicherweise ganz leicht gequetschter Stimme. „Bis Berck wieder vernehmungsfähig ist. Oder bis wir genügend Indizien für eine Anklageerhebung gegen Sie zusammen haben.“ Kein Wort davon, dass sich auch meine Unschuld herausstellen könnte. Vielversprechend. „Was passiert so lange mit meinem Hund?“
„Ihr Hund? Der hat einen Polizeibeamten gebissen und wird getötet. Das ist bei uns so.“ Bis zu diesem Punkt hätte ich mich noch widerstandslos festnehmen lassen. Doch das ging zu weit. Ich sagte, so ruhig ich nur eben vermochte: „Mein Hund hat mich davor bewahrt, den Schädel mit einem Knüppel eingeschlagen zu kriegen.“
„Das ändert nichts an der Tatsache.“
„Mein Hund hat, wenn überhaupt, dann einen privaten Wachmann gebissen.“
„Bissige Hunde werden bei uns getötet, da machen wir keine Ausnahmen.“
„Herr Leblanc“, sagte ich langsam, meine Selbstbeherrschung sirrend und fragil wie eine mit der Rohrzange gestimmte Geigensaite, „bevor Sie
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