Roulette der Liebe
nicht. Sie wagte es auch nicht, Caleb in die Augen zu sehen. Er hatte sie gastfreundlich in sein Haus aufgenommen, und was er jetzt von ihr denken mußte, jetzt, nachdem er die Wahrheit über sie erfahren hatte, ließ in ihr nur den einen Wunsch aufkommen - sie wollte fort von hier. Irgendwohin. Nur fort.
»Ist Willow schon auf?« fragte Caleb.
Wieder schüttelte Eve stumm den Kopf.
»Überrascht mich nicht«, meinte er leichthin. »Ethan hat die ganze letzte Nacht keine Ruhe gegeben.«
»Er bekommt Zähne.«
Ihre Worte waren kaum mehr als ein Flüstern, doch Caleb verstand.
»Gewürznelken«, fügte Eve leise hinzu.
»Bitte?« fragte Caleb.
Eve räusperte sich. »Nelkenöl. Auf seinen Gaumen. Es wird ihn beruhigen und die Schmerzen lindern.«
»Zum Teufel, ich würde ihm lieber einen kräftigen Tritt in den Hintern verpassen«, knurrte Caleb. »Und ich meine damit nicht Ethan.«
Mit einem Ruck hob Reno den Kopf. Er warf Caleb einen verächtlichen Blick zu. Caleb hielt seinem Blick stand.
»Yuma Mann«, sagte Reno kalt. »Ich hätte gedacht, du wärst der letzte, der auf ein hübsches Gesicht reinfällt.«
Reno griff unter den Bauch der Stute, schob den Lederriemen durch den Metallring am Sattel und begann, den Gurt mit harten, schnellen Bewegungen strammzuziehen. Seine Worte kamen ebenso - hart und schnell.
»Du bist in die Wildnis geritten mit Willy, einem unschuldigen Mädchen, das sich Liebe wünschte.«
Leder glitt mit einem schabenden Geräusch über Leder.
»Ich reite in die Wildnis mit einer ausgekochten kleinen Betrügerin, die eine Hälfte einer Goldmine haben will.«
Reno hakte die Steigbügel ein. Das Knirschen des Leders klang wie ein Schrei in der Stille.
»Wenn wir die Mine finden, werde ich höllisch aufpassen müssen, sonst stiehlt sie mir mein gesamtes Hab und Gut und schießt mich in den Rücken oder läßt mich zurück, um mich von Gesindel wie Jericho Slater erschießen zu lassen«, fuhr Reno scharf fort. »So hat sie es schon einmal gemacht.«
Vom Haus ertönte der Klang einer metallenen Triangel, als Willow sie zum Frühstück rief.
Reno zerrte Eves Satteltaschen vom Korralgeländer, riß ihr die Bettrolle aus der Hand und befestigte beide hinter dem Sattel. Als er damit fertig war, fuhr er herum, hob Eve mit raschem Griff hoch und setzte sie energisch in den Sattel der Graubraunen.
Erst danach wandte er sich zu Caleb um. »Bestell Willy herzliche Grüße von uns.«
Reno schwang sich wie eine geschmeidige Katze in den Sattel. Mit einer einzigen Handbewegung löste er die Führungsleine von Shaggy Eins vom Korralgeländer. Dann zog er Darling an den Zügeln herum und drückte ihr die Fersen in die Seiten.
Die Mustangstute strebte in flottem Galopp zum Hof hinaus. Die beiden Shaggies und die Graubraune folgten.
Hinter ihnen erscholl Calebs Stimme.
»Lauf nur weg, solange du noch kannst, du dickköpfiger, sturer Hurensohn! Es gibt nichts Stärkeres als jene bewußten seidenen Fesseln. Oder auch Sanfteres!«
Reno wußte, sie wurden verfolgt. Vom Morgengrauen bis zum Eintritt der Dämmerung trieb er die Pferde unbarmherzig weiter, legte eine doppelt so lange Strecke zurück wie ein normaler Reisender, in der Hoffnung, Slaters Pferde damit restlos zu erschöpfen.
Im Moment war Slater im Vorteil, denn seine langbeinigen Tennessee-Pferde liefen schneller als die Mustangs. Im Wüstengelände würde der Vorteil jedoch auf Renos Seite sein. Die Mustangs waren über weite Entfernungen und auch bei weniger Futter und Wasser zäher und ausdauernder als irgendeines von Slaters Pferden.
Nicht ein einziges Mal während der endlos langen Stunden des Ritts beklagte Eve sich über das Tempo. Tatsächlich sagte sie überhaupt nichts, höchstens dann, wenn Reno ihr eine direkte Frage stellte, und Reno hatte nur wenige Fragen.
Nach und nach wurde Eves Wut von der Neugier auf die Landschaft verdrängt. Das offene Hochland erfüllte sie zunehmend mit einem Gefühl des Friedens und dem berauschenden Bewußtsein, sich am Rande eines riesigen, gänzlich unerforschten Gebietes zu befinden.
Zu ihrer Linken erhob sich ein steiles, zerklüftetes Massiv, bewachsen mit Pinien und Wacholder. Rechts von ihr erstreckten sich Ausläufer flacher, mit Nadelbäumen bedeckter Bergrücken. Hinter ihr lag ein wunderschönes Tal, umgeben von Granitgipfeln, schartigen Bergkuppen und dem Hochplateau mit seinen blaßgrauen Felsen.
Auch ohne das spanische Tagebuch als Orientierungshilfe wußte Eve, daß sie
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