Roulette der Liebe
allmählich von den bewaldeten, zerklüfteten Höhen der Rockies hinabstiegen. Das Land veränderte sich erstaunlich rasch unter den flink dahingaloppierenden Hufen der Mustangs. Hügelkuppen verschmolzen zu Hochplateaus, von steilen Schluchten durchzogen. Steinige Flußufer wichen unbefestigten Ufern und Sandbänken in seichteren Flußbetten. Sandstein und Schiefer lösten Granit und Marmor ab.
Anmutige Zitterpappeln und dichter Fichten- und Tannenbewuchs wurden von Pyramidenpappeln und Pinien, Wacholder und Ginster verdrängt. Riesige, wuchernde Salbeibüsche ersetzten die Buschheide. Wolken ballten sich am Himmel zusammen, Donner grollte, doch über den tiefer liegenden Hügeln ging kein Regen nieder.
Und über all dem ragte drohend das dunkle Bergmassiv auf. Eve konnte ihren Blick einfach nicht von den scharfkantigen Gipfeln losreißen, denn sie hatte noch nie etwas so Faszinierendes gesehen. Auf den steilen Hängen wuchsen die Pflanzen nicht dicht genug, um die sehr unterschiedlich gefärbten Gesteinsschichten darunter zu verbergen. Keine Flüsse oder Bäche schlängelten sich durch dieses wild zerklüftete Massiv. Kein Wasser glitzerte in seinen Schluchten. Auf seinen Graten wuchsen keine Bäume.
Die Landkarte in dem spanischen Tagebuch wies darauf hin, daß das Massiv nur den Anfang der Veränderungen bedeutete. Es war der Ausläufer eines unermeßlich breiten, ausgedehnten Hochplateaus, so groß wie einige europäische Länder. Am Horizont, dort wo die Sonne gerade unterging, fiel das Plateau in gigantischen steinernen Stufen, die sich schließlich zu unzähligen Felscanyons auflösten, in die Tiefe.
Eve konnte das steinerne Labyrinth nicht sehen, aber sie ahnte es am Horizont — das Ende der gebirgigen Landschaft, die in Canyon City begonnen und sich Hunderte von Meilen weiter fortgesetzt hatte.
Das steinerne Labyrinth war ein Gebiet schrecklicher Dürre, wo die Flußbetten ausgetrocknet lagen außer nach Gewittern, und dann auch nur für kurze Zeit. Und dennoch gab es auf dem Grund des tiefsten Canyons einen Strom, so mächtig wie der Tod selbst. Keiner, der ihn überquert hatte, war jemals zurückgekehrt, um von dem zu berichten, was auf der anderen Seite lag.
Eve hätte Reno gern gefragt, wie so etwas überhaupt möglich war, aber sie hielt sich zurück. Sie würde ihn nichts fragen, das nicht Teil des teuflischen Handels war, den sie abgeschlossen hatten.
Und der Gedanke, dieses Abkommen einhalten zu müssen - oder sich einem Mann zu überlassen, der sie für eine Lügnerin und Betrügerin hielt — war wie Eis, das in ihrer Seele gefror.
Er wird seine Meinung doch sicher irgendwann ändern, überlegte sie. Je länger wir zusammen sind, desto mehr muß ihm doch aufgehen, daß ich nicht das bin, wofür er mich hält.
Reno drehte sich im Sattel um und warf einen wachsamen Blick zurück, so wie er es während des ganzen Tages in gewissen Abständen getan hatte. Zuerst hatte Eve gedacht, es sei die Befürchtung, sie könnte plötzlich ausbrechen und fliehen, die ihn so wachsam machte. Nach und nach war ihr klar geworden, daß die Ursache für sein Mißtrauen eine ganz andere war.
Sie wurden verfolgt. Eve spürte es genauso instinktiv, wie sie die erotische Spannung wahrnahm, die zwischen ihnen knisterte, jedesmal, wenn Reno sie anschaute.
Sie fragte sich, ob Reno sich wie sie an die beiden Wünschelruten erinnerte, die sich berührt hatten, sich aneinandergeschmiegt und verbunden hatten durch geheimnisvolle elektrische Strömungen, gespenstisch schimmernd voller ungeahnter Verheißungen. Eve hatte in ihrem ganzen Leben niemals etwas so Überwältigendes gefühlt.
Die Erinnerung daran verfolgte Eve während des langen Ritts. Jedesmal, wenn sie zu ihr zurückkehrte, weckte sie ein Gefühl prickelnder Erregung und Erwartung in ihr und verdrängte ihren Zorn auf Reno mehr und mehr.
Wie konnte sie wütend auf einen Mann sein, dessen Körper und Seele ihrer glichen?
Er hat es genauso deutlich gefühlt wie ich, dachte sie.
Er will einfach nicht glauben, ich sei besser als mein billiges rotes Kleid.
Ganz sicher versteht er. Er ist nur zu störrisch, um zuzugeben, daß er sich in mir getäuscht hat.
Der Gedanke wirkte so belebend auf Eve wie der an das spanische Gold, das irgendwo vor ihnen in der Wildnis vergraben lag, verborgen vor allen Menschen, nur darauf wartend, entdeckt zu werden, einerlei von wem - wenn er nur verwegen oder dumm genug war, den Weg in das gefährliche Felslabyrinth zu
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