Roulette des Herzens
unbehaglich. »In anderen residieren vorübergehend Gäste. Die meisten werden jedoch von den … hm … im Haus tätigen Hühnchen bewohnt.«
Sara nickte gelassen. Sie wusste genau, was ein im Haus wohnendes Hühnchen war. Nach den Recherchen, die sie für »Mathilda« gemacht hatte, war sie sehr gegen die Prostitution. Sie hatte Mitleid mit den Frauen, die durch dieses System versklavt wurden. Sobald sie diesen Weg eingeschlagen hatten war es schwierig, vielleicht sogar unmöglich, ihn je zu verlassen. Einer der Gründe, weshalb sie so verständnisvoll über Prostituierte schrieb, war der Wunsch, der Öffentlichkeit mitzuteilen, dass diese Frauen nicht die unmoralischen Geschöpfe waren, für die man sie hielt. Der Gedanke, dass Mr. Craven seinen Reichtum durch solche Geschäfte vergrößerte, behagte ihr nicht.
Zuhälterei war noch abscheulicher als Glücksspiel.
»Wie groß ist der Anteil von Mr. Cravens Profit, der durch die hier arbeitenden Lebedamen erzielt wird?«, erkundigte sich Sara.
»Mr. Craven kassiert sie nicht ab, Miss Fielding. Ihre Anwesenheit trägt zum Ambiente des Clubs bei und ist eine zusätzliche Verlockung für die Kunden. Die leichten Mädchen können das ganze Geld behalten, das sie verdienen.
Mr. Craven bietet ihnen Schutz, mietfreies Wohnen und bei weitem bessere Freier, die sie sonst auf der Straße nicht finden würden.«
Sara lächelte ironisch. »Bessere? Ich bin mir dessen nicht so sicher, Mr. Worthy. Aus dem, was man mir erzählt hat, entnahm ich, dass Aristokraten Frauen ebenso missbrauchen und Krankheiten verbreiten wie arme Leute.«
»Vielleicht möchten Sie sich mit den Mädchen unterhalten. Ich bin sicher, Sie werden Ihnen sehr freimütig sowohl die Vorteile als auch die Nachteile der Arbeit in diesem Club beschreiben. Ich habe den Eindruck, dass sie Sie für eine Art Heldin halten.«
Die Bemerkung überraschte sie. »Mich?«
»Nachdem ich erwähnt hatte, dass Sie die Autorin sind, die ›Mathilda‹ geschrieben hat, waren alle Mädchen sehr aufgeregt. An den arbeitsfreien Tagen hat Tabitha ihren Kolleginnen den Roman laut vorgelesen. Und neulich haben sie alle das Bühnenstück gesehen.«
»Wäre es möglich, dass ich jetzt einige von ihnen kennenlernen kann?«
»Zu dieser Stunde pflegen sie im Allgemeinen noch zu schlafen. Vielleicht ergibt sich später die Möglichkeit zu einem Gespräch.«
»Barry!« sagte eine Frau mit rauer Stimme. »Barry, du verfluchter Faulenzer! Ich habe den ganzen verdammten Club nach dir abgesucht.« Die nur in einen rüschenbesetzten, leicht durchsichtigen weißen Morgenrock gekleidete Frau eilte im Korridor herbei. Sie war attraktiv, wenngleich ihr schmales Gesicht die Spuren jahrelangen harten Lebens zeigte. Wallendes kastanienbraunes Haar, fast so, wie Sara es hatte, fiel ihr über die Schultern auf den Rücken. Sie hatte nur einen kurzen Blick für die Besucherin übrig.
Sara hätte gern einige freundliche Worte mit ihr gewechselt, wusste jedoch durch frühere Erfahrungen mit Prostituierten, dass diese Frauen erst ein beträchtliches Maß an Vertrauen gewinnen mussten, ehe sie mit jemandem wie ihr redeten. Im Allgemeinen vermieden sie es aus Ehrerbietung, Verachtung oder Schamgefühl, einer anständigen Frau in die Augen zu sehen.
»Was ist los, Tabitha?« fragte Barry ruhig.
»Schon wieder Lord F«, lautete die indignierte Antwort. »Der billige alte Lustmolch. Er hat gestern Molly gehabt und gesagt, er würde für die ganze Nacht zahlen. Jetzt will er weg, ohne zu blechen.«
»Ich kümmere mich darum«, erwiderte Barry ruhig und schaute Miss Fielding an, die sich Notizen machte, »Würde es Sie sehr stören, Miss Fielding, wenn ich Sie hier einige Minuten zurücklasse? Die, Galerie dort rechts enthält viele schöne Gemälde aus Mr. Cravens Privatsammlung.«
»Bitte, lassen Sie sich nicht aufhalten«, sagte Sara.
Plötzlich wurde Tabitha sehr lebhaft. »Ist sie das?« fragte sie Mr. Worthy. »Ist das Mathilda?«
»O nein«, antwortete Sara. »Ich habe den Roman geschrieben, der Mathilda heißt.«
»Dann kennen Sie sie? Ist das eine Freundin von Ihnen?«
Sara war verdutzt. »Nicht wirklich, Wissen Sie, Mathilda ist eine erfundene Person. Es gibt sie nicht wirklich.«
Durch diese Behauptung handelte Sara sich einen tadelnden Blick von Miss Tabitha ein. »Es soll Mathilda nicht geben? Ich habe alles über sie gelesen. Und ich kenne ein Mädchen, das sie, getroffen hat. Beide haben in derselben Straße gearbeitet,
Weitere Kostenlose Bücher