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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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Schloßfräuleins, als Freund ihres Bruders und als Gönner der Nachbarn war ich zufrieden; mehr bedurfte ich nicht.
    In Erwartung der Erfüllung dieses bescheidenen Zukunfttraumes irrte ich einige Tage um die Stadt herum und fand während derselben bei mir bekannten Bauern ein Unterkommen, die mich alle mit größerer Güte aufnahmen, als es Städter gethan haben würden. Sie nahmen mich auf, sie gaben mir Obdach, sie speisten mich, alles mit zu viel Treuherzigkeit, um ein Verdienst davon zu haben. Man konnte das nicht als eine Almosenspende bezeichnen; dazu nahmen sie nicht genug die Miene der Überlegenheit an.
    Auf diesen Reisen und Streifereien durch die Welt kam ich nach Confignon auf savoyischem Gebiete zwei Stunden von Genf. Der Pfarrer hieß Herr von Pontverre. Dieser in der Geschichte der Republik berüchtigte Name fiel mir auf. Ich war neugierig zu sehen, wie sich die Abkömmlinge der Ritter vom Löffel [Fußnote: Diese Ritter, Unterthanen des Herzogs von Savoyen, wurden deshalb so genannt, weil sie als Feinde der Genfer, die sie sich mit dem Löffel aufzuessen gerühmt hatten, einen Löffel als Erkennungszeichen um den Hals trugen. Von 1527 bis 1530 fügten sie Genf vielen Schaden zu.] ausnähmen. Ich besuchte Herrn von Pontverre. Er empfing mich herzlich, redete mit mir von der Genfer Ketzerei, von der Macht der heiligen Mutterkirche und gab mir zu essen. Auf Gründe, die so endigten, fand ich wenig zu erwidern, und ich schloß, daß Pfarrer, bei denen man so gut speiste, wenigstens eben so viel werth wären wie unsere Prediger. Ich war sicherlich gelehrter als Herr von Pontverre, ein so vollendeter Edelmann er auch war; aber ich war ein zu guter Gast, um ein eben so guter Theologe zu sein, und sein Frangiwein, der mir vortrefflich vorkam, brachte für ihn so unwiderlegliche Gründe vor, daß ich mich geschämt hätte, einem so wackern Wirthe gegenüber das letzte Wort zu behalten. Ich gab deshalb nach oder widersprach ihm wenigstens nicht in das Gesicht.
    Erwägt man die Rücksichten, die ich nahm, so hätte man mich für falsch halten können. Man hätte sich geirrt; ich wahrte nur die Schicklichkeit, so viel ist gewiß, Schmeichelei, oder vielmehr Nachgiebigkeit, ist nicht immer etwas Schlechtes; sie ist öfter eine Tugend, namentlich bei jungen Leuten. Die Güte, mit der ein Mensch uns behandelt, stimmt uns freundlich für ihn; man giebt ihm nicht nach, um ihn zu hintergehen, sondern um ihn nicht zu betrüben, um ihm nicht Gutes mit Bösem zu vergelten. Welchen Vortheil hatte Herr von Pontverre davon, mich aufzunehmen, mich freundlich zu behandeln, mich überzeugen zu wollen? Keinen andern als meinen eigenen. Mein junges Herz sagte sich das. Ich war von Erkenntlichkeit und Achtung vor dem guten Priester ergriffen. Ich fühlte meine Ueberlegenheit, wollte ihn aber zum Lohn für seine Gastfreundschaft nicht damit demüthigen. Bei diesem Benehmen war alle Heuchelei außer dem Spiele: ich dachte nicht an einen Religionswechsel, und weit entfernt, mich mit diesem Gedanken so schnell vertraut zu machen, betrachtete ich ihn nur mit einem Abscheu, der ihn lange Zeit von mir fern halten mußte; ich wollte nur denen nicht wehe thun, die mir wohl wollten, wenn sie es auch nur in jener Absicht thaten; ich wollte mir ihr Wohlwollen bewahren und ihnen die Hoffnung des Erfolges lassen, indem ich weniger gewaffnet schien, als ich es in der That war. Mein Fehler in dieser Beziehung läßt sich mit der Koketterie ehrbarer Frauen vergleichen, die, ohne etwas zu gestatten oder zu verheißen, doch zur Erreichung ihres Zwecks es sehr wohl verstehen, mehr hoffen zu lassen, als sie zu erfüllen willens sind.
    Vernunft, Theilnahme, Christenpflicht hätten doch gewiß verlangt, daß man, anstatt auf meine Thorheit einzugehen, mich dem Untergange, dem ich entgegenlief, entrissen hätte, indem man mich meiner Familie zurückschickte. Das würde jeder wahrhaft tugendhafte Mann gethan oder sich zu thun bestrebt haben. Allein war Herr von Pontverre auch ein guter Mann, so war er doch sicherlich kein tugendhafter Mann, im Gegentheil, er war ein Frömmler, der nur Bilderanbetung und Hersagen des Rosenkranzes als Tugenden anerkannte; eine Art Missionär, der zum Besten des Glaubens nichts Besseres wußte, als Streitschriften gegen die Genfer Geistlichkeit zu verfassen. Anstatt daran zu denken, mich nach Hause zurückzuschicken, benutzte er mein Verlangen, mich davon zu entfernen, um mich außer Stand zu setzen, dahin zurückzukehren,

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