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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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Sie hieß Frau Basile. Ihr Gatte, älter als sie und ziemlich eifersüchtig, ließ sie während seiner Reisen unter der Hut eines Ladendieners, der zu häßlich war, um verführerisch zu sein, und sich trotzdem zu Ansprüchen berechtigt glaubte, welche er nur durch seine schlechte Laune zu zeigen pflegte. Ich hatte viel von derselben zu dulden, obgleich ich ihm gern zuhörte, wenn er die Flöte blies, auf welchem Instrumente er eine ziemliche Fertigkeit besaß. Dieser neue Aegisthos brummte, so oft er mich bei seiner Dame eintreten sah; er behandelte mich mit einer Verachtung, die sie ihm reichlich vergalt. Sie schien sogar, um ihn zu quälen, daran Gefallen zu finden, mir in seiner Gegenwart Zärtlichkeiten zu erweisen, und so sehr mir diese Rache auch zusagte, hätte ich sie bei unserm Alleinsein doch noch lieber gesehen. Aber sie trieb sie nicht so weit, oder wenigstens geschah es nicht auf die gleiche Weise. Sei es, daß sie mich zu jung fand, oder nicht wußte, wie sie die ersten Schritte thun sollte, oder daß sie im Ernste ihre Sittsamkeit bewahren wollte: sie besaß dann eine Art Zurückhaltung, die zwar nicht zurückstoßend war, mich aber doch einschüchterte, ohne daß ich wußte weshalb. Obgleich ich vor ihr nicht diese eben so aufrichtige wie zärtliche Achtung fühlte, die mir Frau von Warens einflößte, so empfand ich ihr gegenüber doch mehr Scheu und weit weniger Vertraulichkeit. Ich war verlegen, aufgeregt; ich hatte nicht den Muth, sie anzusehen, nicht den Muth, in ihrer Nähe zu athmen, und doch fürchtete ich die Trennung von ihr ärger als den Tod. Mit gierigem Auge verschlang ich alles, was ich unbemerkt betrachten konnte: die Blumen ihres Kleides, die Spitze ihres niedlichen Fußes, das Stück ihres vollen weißen Armes, das zwischen Handschuh und Manschette sichtbar wurde und was sich bisweilen unter dem Halstuch zeigte. Jeder neue Anblick war ein neuer und noch stärkerer Reiz. Durch die Bewunderung dessen, was ich sehen konnte und errieth, verwirrten sich meine Blicke und wurde meine Brust beengt; der Athem, der mir mit jedem Augenblicke beklommener wurde, drohte zu stocken, und alles, was ich thun konnte, war, unhörbar aufzuseufzen, was in der Stille, die oft um uns herrschte, gar störend war. Glücklicherweise fiel es, wie mir schien, Frau Basile, die mit ihrer Arbeit beschäftigt war, nicht auf. Indeß bemerkte ich mitunter, daß sich ihr Halstuch wie durch eine Art Sympathie ziemlich häufig hob und senkte. Dieser gefährliche Anblick brachte mich vollends um alle Fassung; aber wenn ich eben im Begriff stand, meiner leidenschaftlichen Aufwallung nachzugeben, richtete sie irgend ein Wort in ruhigem Tone an mich, welches mich sofort wieder zur Besinnung brachte.
    Ich sah sie auf diese Weise wiederholentlich allein, ohne daß je ein Wort, eine Bewegung oder auch nur ein zu ausdrucksvoller Blick das geringste Einverständnis zwischen uns zu erkennen gegeben hätte. Dieses für mich sehr qualvolle Verhältnis bildete jedoch meine Wonne, und in der Einfalt meines Herzens konnte ich mir kaum denken, weshalb ich dadurch so gequält wurde. Es schienen ihr diese kleinen Zusammenkünfte eben so wenig zu mißfallen, wenigstens gab sie ziemlich häufig Gelegenheit dazu, ein von ihrer Seite sicherlich sehr unschuldiges Bestreben, nach dem Gebrauche, den sie davon machte und mich davon machen ließ.
    Als sie eines Tages, von den einfältigen Gesprächen des Ladendieners gelangweilt, in ihr Zimmer hinaufgestiegen war, beeilte ich mich, meine kleine Arbeit in dem Hinterladen zu beenden, und ging ihr dann nach. Ihre Zimmerthür stand halb offen; ich trat, ohne von ihr bemerkt zu werden, ein. Sie stickte, den Rücken der Thüre zugewandt, an einem Fenster. Sie konnte nicht gewahren und, bei dem ewigen Wagengerassel auf der Straße, auch nicht hören, daß ich eintrat. Sie ging stets fein gekleidet, aber an diesem Tage grenzte die Zierlichkeit ihrer Kleidung an Koketterie. Ihre Haltung war anmuthig; ihr ein wenig gesenkter Kopf ließ die blendende Weiße ihres Halses erblicken, und ihr geschmackvoll aufgestecktes Haar war mit Blumen geschmückt. Ueber ihre ganze Gestalt war ein Reiz ausgegossen, den ich Zeit zu betrachten hatte und der mir die Sinne raubte. Ich sank an der Schwelle des Zimmers auf die Knie, indem ich, überzeugt, daß sie mich nicht hören konnte, und nicht daran denkend, daß sie mich zu sehen im Stande war, mit einer leidenschaftlichen Bewegung die Arme nach ihr ausstreckte; aber

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