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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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tausendmal mehr Vergnügen gefunden haben würde.
    Obgleich ich sehr sparsam lebte, begannen sich meine Geldmittel doch mehr und mehr zu erschöpfen. Meine Sparsamkeit war übrigens weniger die Wirkung der Vorsicht, als einer Vorliebe für die Einfachheit, welche meine jetzige Gewohnheit an Tafelfreuden selbst heute noch nicht verändert hat. Ich kannte und kenne noch jetzt kein besseres Mahl als ein ländlich frugales. Mit Milchspeisen, Eiern, Salat, Käse, Schwarzbrot und leidlichem Wein ist man stets sicher, mich vorzüglich zu bewirthen; mein guter Appetit thut dann das Uebrige, während mich ein Haushofmeister und Diener um mich her mit ihrem lästigen Anblicke nicht satt zu machen im Stande sind. Ich hielt damals mit einem Aufwande von sechs oder sieben Sous weit bessere Mahlzeiten, als ich sie späterhin für sechs oder sieben Francs gehalten habe. Ich war also mäßig, weil ich mich nie zur Unmäßigkeit versucht fühlte; auch nenne ich es eigentlich mit Unrecht Mäßigkeit, denn ich empfand dabei allen möglichen sinnlichen Genuß. Meine Birnen, meine saure Milch, mein Käse, meine Brotstöllchen und einige Gläser von einem Montferrater Weine, so dick, daß er sich fast schneiden ließ, machten mich zum Glücklichsten aller Leckermäuler. Aber trotz dem Allen mußten die zwanzig Francs ein Ende nehmen. Das wurde mir von Tage zu Tage klarer, und ungeachtet des Leichtsinnes meines Alters steigerte sich meine Unruhe über die Zukunft bald bis zur Angst. Als alle meine Luftschlösser zusammengestürzt waren, gewann ich die Ueberzeugung, daß mir nichts anderes übrig bliebe, als eine Beschäftigung zu suchen, die mir Unterhalt gewährte; aber auch das ließ sich nicht so leicht bewerkstelligen. Ich dachte an mein altes Handwerk; allein ich verstand es nicht so vollkommen, daß ich zu einem Meister in Arbeit gehen konnte, und an den Meistern selbst gab es in Turin keinen Ueberfluß. Ich entschloß mich deshalb, bis ich etwas Besseres finden würde, mich in einem Laden nach dem andern zum Eingraviren von Namenzügen oder Wappen auf Silbergeschirr anzubieten, indem ich die Leute dadurch, daß ich ihnen die Bestimmung des Preises überließ, für mich zu gewinnen hoffte. Dieses Auskunftsmittel war kein sehr glückliches. Ich wurde fast überall abgewiesen, und die Arbeiten, die mir anvertraut wurden, waren so unbedeutend, daß mein Verdienst kaum zur Beschaffung einiger Mahlzeiten ausreichte. Als ich jedoch eines Morgens noch ziemlich früh durch die Contra Nova ging, erblickte ich durch die Scheiben eines Comptoirs eine junge Kaufmannsfrau von so großem Liebreiz und von einem so anziehenden Aeußern, daß ich trotz meiner Blödigkeit den Damen gegenüber kein Bedenken trug, einzutreten und ihr mein kleines Talent anzubieten. Sie wies mich nicht zurück, ließ mich Platz nehmen, meine kleine Geschichte erzählen, bedauerte mich und sprach mir Muth ein, indem sie hinzufügte, daß mich die guten Christen nicht verlassen würden. Während sie darauf von einem benachbarten Goldschmied die von mir als nöthig bezeichneten Werkzeuge holen ließ, ging sie in die Küche und brachte mir selbst ein Frühstück. Dieser Anfang schien mir von guter Vorbedeutung; die Folge strafte ihn nicht Lügen. Sie schien mit meiner unbedeutenden Arbeit zufrieden und noch mehr mit meinem munteren Geplauder, als ich erst wieder ein wenig Muth geschöpft hatte, denn bei ihrer glänzenden Erscheinung, die durch den Putz noch mehr gehoben wurde, fühlte ich mich trotz ihres anmuthigen Wesens anfänglich sehr befangen. Allein ihre gütige Aufnahme, ihre theilnahmsvolle Sprache, ihr sanftes und freundliches Benehmen gaben mir meine Unbefangenheit bald zurück. Ich sah, daß sie mir günstig gesinnt war, und das trieb mich an, ihre Gunst in noch höherem Grade zu gewinnen. Aber wenn auch Italienerin und zu hübsch, um nicht ein wenig kokett zu sein, war sie trotzdem so sittsam und ich so schüchtern, daß das Verhältnis nicht so schnell zu einem glücklichen Ausgange gelangen konnte. Man ließ uns nicht die Zeit das Abenteuer zu Ende zu bringen. Mit desto größerem Entzücken gedenke ich der kurzen Augenblicke, die ich bei ihr zugebracht habe, und ich kann sagen, daß ich die süßesten wie die reinsten Freuden der Liebe in den Erstlingen der ihrigen genossen habe.
    Sie war eine außerordentlich anziehende Brünette, deren freundliche Gesinnung, welche sich auf ihrem hübschen Gesichte ausprägte, ihrer Lebhaftigkeit etwas Rührendes verlieh.

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