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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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von Gouvon hatte mir einige Wochen vor meiner Entlassung einen kleinen, sehr niedlichen Heronsbrunnen, über den ich entzückt war, zum Geschenk gemacht. Während wir, der kluge Bâcle und ich, ihn springen ließen, und dabei von unserer Reise plauderten, kamen wir auf den Gedanken, ihn zur Verlängerung derselben zu benutzen. Was konnte es auch Merkwürdigeres in der Welt geben als einen Heronsbrunnen? Diese Ueberzeugung war das Fundament, auf dem wir das Gebäude unseres erträumten Glückes aufführten. Wir hatten nichts weiter nöthig, als die Bauern in jedem Dorfe um unsern Springbrunnen zu versammeln, und köstliche Mahlzeiten mußten uns dann in um so größerem Ueberfluß zufallen, als wir beide nicht anders glaubten, als daß die Lebensmittel denen, welche sie ernten, eigentlich nichts kosten, und daß es lediglich an ihrem bösen Willen läge, wenn sie die Vorüberreisenden nicht förmlich damit nudelten. Wir weilten mit unsern Gedanken nur bei Festlichkeiten und Hochzeitsfeiern, mit Sicherheit darauf rechnend, daß wir außer dem Athem unserer Lungen und dem Wasser unseres Springbrunnens nichts aufzuwenden brauchten, da letzterer uns die Reisekosten durch Piemont, Savoyen, Frankreich und die ganze Welt verdienen würde. Wir machten Reisepläne ohne Ende und wollten unsern Weg zunächst nach Norden nehmen, mehr aus Lust die Alpen zu übersteigen, als aus Besorgnis, doch noch irgendwo festgehalten zu werden.

1731 – 1732
    Das war der Plan, mit welchem ich zu Felde zog, als ich meinen Beschützer und meinen Lehrer ohne Reue verließ und meine Studien, meine Hoffnungen und die Erwartung eines fast sicheren Glückes aufgab, um das Leben eines echten Vagabunden zu beginnen. Ich sagte der Hauptstadt Lebewohl, sagte dem Hofe, dem Ehrgeiz, der Liebe, den Schönen und all den großen Abenteuern Lebewohl, deren Aussicht mich im vorigen Jahre hierher getrieben hatte. Ich breche auf mit meinem Springbrunnen und meinem Freunde Bâcle, mit leichter Börse aber übervollem Herzen, nur an den Genuß dieses glücklichen Wanderlebens denkend, auf das ich mit einem Male meine glänzenden Pläne beschränkt hatte.
    Diese wunderliche Reise brachte mir wirklich fast eben so viel Vergnügen, wie ich mir davon versprochen hatte, wenn sie auch nicht ganz auf dieselbe Weise verlief; denn obgleich unser Springbrunnen in den Schenken die Wirthinnen und ihre Mägde einige Augenblicke belustigte, mußten wir beim Weiterwandern deshalb doch nicht weniger bezahlen. Das machte uns jedoch nur wenig Kummer, und wir dachten erst bei eintretendem Geldmangel aus dieser Hilfsquelle vollen Nutzen zu ziehen. Ein Unfall überhob uns dieser Mühe; in der Nähe von Bramant zerbrach der Springbrunnen, und es war Zeit, denn wir fühlten, wenn wir es auch nicht auszusprechen wagten, daß er uns langweilig zu werden begann. Dieses Unglück machte uns fröhlicher als zuvor und wir lachten sehr, daß wir in unserm Leichtsinn vergessen hatten, wie sich unsere Kleider und Schuhe abnützen müßten, oder daß wir gewähnt, wir könnten uns durch das Vorzeigen unseres Heronsbrunnens neue anschaffen. Wir setzten unsere Reise eben so munter fort, wie wir sie begonnen hatten, aber in geraderer Richtung auf unser Ziel losgehend, das uns unsere immer leichter werdende Börse bald zu erreichen zwang.
    Zu Chambéry wurde ich nachdenklich, nicht über die Thorheit, welche ich begangen hatte; nie brach ein Mensch so schnell und entschieden mit der Vergangenheit wie ich; aber über die Aufnahme, welche meiner bei Frau von Warens wartete, denn ihr Haus betrachtete ich völlig wie mein Vaterhaus. Ich hatte sie von meinem Eintritt beim Grafen von Gouvon in Kenntnis gesetzt; sie wußte, welche Stellung ich dort einnahm, und als sie mir Glück wünschte, hatte sie mir sehr verständige Lehren gegeben, wie ich die Güte, welche man mir erwiese, vergelten müßte. Sie betrachtete mein Glück als gesichert, wenn ich es nicht durch eigene Schuld zerstörte. Was würde sie sagen, wenn sie mich ganz unerwartet ankommen sähe? Es kam mir nicht einmal in den Sinn, daß sie mir ihre Thür verschließen könnte; aber ich fürchtete ihr Kummer zu machen, ich fürchtete ihre Vorwürfe, welche mir unerträglicher waren als das tiefste Elend. Ich war entschlossen, alles schweigend hinzunehmen und alles zu thun, um sie zu besänftigen. Ich sah im ganzen Weltall sie allein: in ihrer Ungnade leben, war eine Unmöglichkeit.
    Was mich am meisten beunruhigte, war mein Reisegefährte, dessen

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