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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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ich bin außerordentlich thätig. Man stimmt fünf oder sechs Minuten lang, die mir wie eben so viele Jahrhunderte vorkommen. Als endlich alles bereit ist, klopfe ich mit einer schönen Papierrolle einige Male auf mein Dirigentenpult, um Achtung zu gebieten. Tiefste Stille herrscht; feierlich beginne ich den Takt zu schlagen, man fängt an... Nein, so lange es französische Opern giebt, hat man eine ähnliche Katzenmusik nie vernommen. Was man auch von meinem Talente gedacht haben mochte, die Wirkung war schlimmer als alles, was man zu erwarten schien. Die Musiker erstickten vor Lachen; die Zuhörer rissen die Augen weit auf und würden sich am liebsten die Ohren zugestopft haben, aber da gab es keine Rettung. Meine Henker von Mitgliedern der Kapelle, die ein Vergnügen haben wollten, kratzten, um einem Tauben das Trommelfell zu sprengen. Ich quälte mich unverdrossen immer weiter ab, allerdings große Schweißtropfen vergießend, aber vor Scham unfähig, die Flucht zu ergreifen und alles im Stiche zu lassen. Um meine Verzweiflung voll zu machen, hörte ich, wie sich die Anwesenden einander oder vielmehr mir in die Ohren raunten, der eine: »Es läßt sich nichts Unerträglicheres denken;« ein anderer: »Was für eine Heidenmusik!« wieder ein anderer: »Was für ein Hexensabbath!« – Armer Jean-Jacques, in diesem furchtbaren Augenblicke hofftest du wahrhaftig nicht, daß deine Töne eines Tages vor dem Könige von Frankreich und seinem ganzen Hofe Gemurmel der Ueberraschung und des Beifalls hervorrufen würden, und daß in allen Logen um dich her sich die liebenswürdigsten Damen zuflüstern würden: »Welche reizende Töne! Welche entzückende Musik! Alle diese Klänge sprechen zum Herzen!«
    Was aber alle Welt in die köstlichste Laune versetzte, war das Menuet. Kaum hatte man einige Takte desselben gespielt, als ich hörte, wie man auf allen Seiten in lautes Gelächter ausbrach. Jeder beglückwünschte mich zu meinem musikalischen Geschmacke. Man gab mir die Versicherung, dieses Menuet würde von sich reden machen, und mein Werk verdiente, überall gesungen zu werden. Ich brauche meine Herzensangst nicht weiter zu schildern noch zu bekennen, daß ich sie wohl verdient hatte.
    Am nächsten Tage besuchte mich einer der Mitspielenden, Namens Lutold, und war ehrlich genug, mir nicht zu meinem Erfolge Glück zu wünschen. Das tiefe Bewußtsein meiner Dummheit, die Scham, die Reue, die Verzweiflung über die Lage, in welche ich mich gestürzt, die Unmöglichkeit, mein Herz in seiner Angst zu verschließen, bewogen mich, es ihm zu öffnen; ich ließ meinen Thränen freien Lauf, und anstatt mich darauf zu beschränken, ihm meine Unwissenheit einzugestehen, sagte ich ihm unter dem Siegel der Verschwiegenheit alles. Natürlich gelobte er mir Schweigen und hielt es, wie man sich denken kann. Noch an dem nämlichen Abend wußte ganz Lausanne, wer ich war, und eigentümlicherweise ließ es sich niemand mir gegenüber merken, nicht einmal der gute Perrotet, der trotz alledem nicht Anstand nahm, mir auch fernerhin Unterkommen und Unterhalt zu gewähren.
    Ich lebte, aber in sehr traurigen Verhältnissen. Die Folgen eines derartigen ersten Auftretens machten aus Lausanne keinen sehr angenehmen Aufenthaltsort für mich. Die Schüler strömten nicht schaarenweise herbei; es erschien keine einzige Schülerin, und niemand aus der Stadt. Ich hatte im Ganzen zwei oder drei ungeschickte Deutsche, die so dumm waren, wie ich unwissend, mich bis zum Sterben langweilten und in meinen Händen keine großen Musikkenner wurden. Ich wurde in ein einziges Haus gerufen, in dem eine kleine Schlange von Mädchen sich den Spaß machte, mir viele Musikstücke zu zeigen, von denen ich nicht eine Note zu lesen vermochte, und welche sie darauf die Bosheit hatte, dem Herrn Lehrer vorzusingen, um ihm darzuthun, wie dergleichen vorgetragen werden müßte. Ich war so völlig unfähig, ein Musikstück vom Blatte zu lesen, daß es mir in dem erwähnten glänzenden Concerte nicht möglich war, dem Spiele nur einen Augenblick zu folgen, um zu beurtheilen, ob man meine eigene Composition, die ich vor mir hatte, richtig vortrüge.
    Inmitten so großer Demüthigungen hatte ich an den Nachrichten, die ich dann und wann von den reizenden Freundinnen erhielt, einen gar süßen Trost. Ich habe in dem weiblichen Geschlechte stets eine große tröstende Kraft gefunden und bei allen Widerwärtigkeiten lindert meinen Kummer nichts mehr, als die Ueberzeugung, daß ein

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