Rousseau's Bekenntnisse
Formey, sein Freund und Correspondent, meinen Brief an Herrn von Voltaire über das Unglück von Lissabon in seinem Journale abgedruckt hätte. Der Abbé Trublet verlangte zu wissen, wie dieser Abdruck möglich gewesen wäre, und als echter Jesuit fragte er mich um meine Absicht über die Wiederveröffentlichung dieses Briefes, ohne mir die seinige sagen zu wollen. Da ich die Schlauköpfe dieser Klasse im höchsten Grade hasse, sagte ich ihm den schuldigen Dank, aber ich that es in einem sehr herben Tone, den er herausfühlte, der ihn aber trotzdem nicht abhielt, mich noch in zwei oder drei weiteren Briefen auszuholen, bis er alles wußte, was er hatte wissen wollen.
Was Trublet auch darüber sagen mochte, so begriff ich doch ganz gut, daß Formey diesen Brief nicht gedruckt vorgefunden hatte, sondern daß der erste Druck desselben von ihm herrührte. Ich kannte ihn als einen schamlosen Plünderer, der sich ohne Umstände aus den Arbeiten anderer ein Einkommen verschaffte, wenn er es auch noch nicht zu jener unglaublichen Unverschämtheit gebracht hatte, einem schon veröffentlichten Werke den Namen des Verfassers zu rauben, seinen eigenen an Stelle desselben zu setzen und es zu seinem eigenen Vortheile zu verkaufen. [Fußnote: Auf diese Weise hat er sich später den Emil angeeignet.] Aber wie war er zu diesem Manuscript gelangt? Die Frage war nicht schwer zu beantworten, und doch gerieth ich thörichter Weise über sie in Verlegenheit. Obgleich Voltaire in diesem Briefe übermäßig geehrt wurde, so wäre er trotz seines unhöflichen Auftretens doch sich zu beklagen berechtigt gewesen, wenn ich ihn ohne seine Einwilligung hätte drucken lassen, und so entschloß ich mich denn, darüber an ihn zu schreiben. Man lese diesen zweiten Brief, den er nicht beantwortete und über den er sich, um sich seiner wilden Leidenschaft nach Herzenslust überlassen zu können, bis zur Wuth erzürnt stellte.
Montmorency, den 17. Juni 1760.
»Ich dachte nicht, mein Herr, daß ich mich je wieder zu einem Briefwechsel mit Ihnen genöthigt sehen würde. Da ich jedoch erfahre, daß der Brief, den ich im Jahre 1756 an Sie schrieb, in Berlin gedruckt ist, so muß ich Ihnen über mein Benehmen in dieser Hinsicht Rechenschaft ablegen, und ich werde diese Pflicht mit aller Wahrheit und Aufrichtigkeit erfüllen.
»Dieser wirklich an Sie gerichtete Brief war nicht für die Veröffentlichung bestimmt. Bedingungsweise theilte ich ihn drei Personen mit, denen das Recht der Freundschaft mir nicht gestattete dergleichen vorzuenthalten, und denen dasselbe Recht noch weniger gestattete, Mißbrauch mit dem ihnen Anvertrauten durch den Bruch ihres Versprechens zu treiben. Diese drei Personen sind: Frau von Chenonceaux, Schwiegertochter der Frau Dupin, die Frau Gräfin von Houdetot und ein Deutscher, Namens Grimm. Frau von Chenonceaux wünschte, daß dieser Brief gedruckt würde und bat mich um meine Einwilligung dazu. Ich erklärte ihr, dieselbe wäre von der Ihrigen abhängig. Sie wurden darum ersucht, Sie verweigerten sie, und es war davon nicht mehr die Rede.
»Demungeachtet schrieb mir der Abbé Trublet, mit dem ich in keinerlei Art von Verbindung stehe, vor kurzem mit ausgesuchter Höflichkeit, er hätte von dem Journale des Herrn Formey eine Nummer erhalten und in ihr diesen nämlichen Brief nebst einer Anmerkung gelesen, in welcher der Herausgeber unter dem Datum des 23. October 1759 erklärte, er hätte ihn vor einigen Wochen bei den Berliner Buchhändlern gefunden und geglaubt, ihm eine Stelle in seinem Journale geben zu müssen, da es zu jenen fliegenden Blättern gehörte, die binnen kurzem für immer verschwinden.
»Das, mein Herr, ist alles, was ich davon weiß. Es ist vollkommen sicher, daß man in Paris bis jetzt von diesem Briefe nicht einmal gehört hatte. Es ist ferner vollkommen sicher, daß das dem Herrn Formey in die Hände gefallene sei es nun handschriftliche oder gedruckte Exemplar ihm nur hat von Ihnen zukommen können, was nicht wahrscheinlich ist, oder von einer der drei von mir eben erwähnten Personen. Endlich ist es vollkommen sicher, daß die beiden Damen einer solchen Treulosigkeit unfähig sind. Aus meiner Zurückgezogenheit kann ich nicht mehr darüber erfahren. Vermittelst Ihrer Correspondenzen würde es Ihnen leicht sein, falls es sich der Mühe lohnte, bis zur Quelle zurückzugehen und die Thatsache festzustellen.
»In demselben Briefe theilt mir der Abbé Trublet mit, daß er die Journalnummer zurückbehalte
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