Rousseau's Bekenntnisse
ohne Gefahr gestattete, bat ich Herrn von Luxembourg, mich bei ihm freundlichst entschuldigen zu wollen. Aus seiner Antwort (Heft D , Nr. 3) kann man ersehen, daß dies in der freundlichsten Weise von der Welt geschah, und der Herzog von Villeroy bezeigte mir deshalb nicht weniger Güte als zuvor. Sein Neffe und Erbe, der junge Marquis von Villeroy, theilte das Wohlwollen, mit dem mich sein Oheim beehrte, nicht, aber, wie ich gestehe, auch eben so wenig die Ehrfurcht, die ich vor diesem hatte. Sein aufgeblasenes Wesen machte ihn mir unerträglich, und meine Kälte zog mir seine Abneigung zu. Eines Abends bei Tafel beleidigte er mich sogar muthwillig, und ich zog mich dabei schlecht aus der Sache, weil ich dumm bin, keine Geistesgegenwart habe und mir der Zorn das Wenige, das ich davon besitze, nicht schärft, sondern vollends raubt. Ich besaß einen Hund, den man mir noch ganz jung ungefähr bei meiner Ankunft auf der Eremitage zum Geschenk gemacht, und den ich »Herzog« (Duc) genannt hatte. Dieser nicht schöne, aber der Gattung nach seltene Hund, aus dem ich meinen Gefährten und Freund gemacht, und der diesen Namen wahrlich besser verdiente als die meisten derjenigen, die ihn sich beigelegt haben, war wegen seines einschmeichelnden und lebhaften Wesens wie um unserer gegenseitigen Anhänglichkeit willen im Schlosse Montmorency berühmt. Aber aus einer sehr thörichten Bedenklichkeit hatte ich seinen Namen in »Türk« verwandelt, als ob es nicht viele Hunde gäbe, die »Marquis« heißen, ohne daß irgend ein Marquis daran Anstoß nimmt. Der Marquis von Villeroy, der diese Namensänderung erfuhr, setzte mir darüber der Art zu, daß ich genöthigt wurde, an offener Tafel zu erzählen, was ich gethan hatte. Das Beleidigende für den Namen »Herzog« bei dieser Geschichte lag nicht sowohl darin, daß ich ihn dem Hunde gegeben, als vielmehr darin, daß ich ihn ihm wieder genommen hatte. Das Schlimmste war, daß mehrere Herzoge zugegen waren; der Herr von Luxembourg war es und sein Sohn ebenfalls. Der Marquis von Villeroy, der es einst werden mußte und gegenwärtig ist, hatte an der Verlegenheit, in die er mich versetzt, und an der Wirkung, die diese Verlegenheit hervorgebracht, seine grausame Freude. Am andern Tage wurde mir versichert, daß ihn seine Tante dafür sehr, heftig ausgescholten hatte, und man urtheile selbst, ob mich dieser Verweis, wenn er ihm wirklich zu Theil wurde, bei ihm in ein günstigeres Licht gestellt hat.
Gegen alles dies hatte ich sowohl im Hotel Luxembourg wie im Temple nur an dem Chevalier von Lorenzi eine Stütze, der sich für meinen Freund ausgab. Noch mehr war er aber der d'Alemberts, unter dessen Schutze er bei den Frauen für einen großen Geometer galt. Außerdem war er der Cicisbeo oder vielmehr der Augendiener der Frau Gräfin von Boufflers, die selbst d'Alemberts große Freundin war, und Chevalier von Lorenzi lebte und webte nur für sie. So hatte ich nach außen hin nicht nur kein Gegengewicht, um mich bei der Frau Marschallin in Gunst zu erhalten, sondern alles, was ihr nahe kam, schien auch noch zusammenzuwirken, um mir bei ihr zu schaden. Trotzdem gab sie mir, außer dem, daß sie die Veröffentlichung des »Emil« übernommen hatte, zu derselben Zeit noch einen andern Beweis von Theilnahme und Wohlwollen, der mich glauben ließ, daß sie die Freundschaft, die sie mir so oft für mein ganzes Leben versprochen hatte, mir stets erhielt und erhalten würde.
Sobald ich geglaubt, mich auf dieses Gefühl von ihrer Seite verlassen zu können, hatte ich begonnen, mein Herz zu erleichtern und ihr alle meine Fehler zu gestehen, da es meinen Freunden gegenüber mein unverletzlicher Grundsatz war, mich ihren Augen genau so zu zeigen, wie ich war, nicht besser und nicht schlimmer. Ich hatte ihr mein Verhältnis mit Therese und alle Folgen davon mitgetheilt, ohne zu verschweigen, in welcher Weise ich über meine Kinder verfügt hatte. Sie hatte meine Bekenntnisse sehr gut aufgenommen, zu gut sogar, indem sie keinen Tadel, den ich verdiente, gegen mich aussprach, und was mich besonders lebhaft rührte, war zu sehen, wie große Güte sie Theresen bezeigte, indem sie ihr kleine Geschenke machte, sie holen ließ, zu Besuchen einlud, mit hunderterlei Freundlichkeiten empfing und sehr oft vor aller Welt küßte. Das arme Mädchen war außer sich vor Freude und Dankbarkeit, und ich theilte wahrlich ihre Gefühle, da mich die Freundschaftsbeweise, mit denen mich Herr und Frau von Luxembourg in
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