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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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Namens stark loben oder tadeln will, man den Betreffenden das Lob so anpassen muß, daß auch die mißtrauischste Eigenliebe kein Quiproquo darin finden kann. Ich befand mich darüber in einer so thörichten Sicherheit, daß es mir nicht einmal in den Sinn kam, es könnte jemand es mißverstehen. Man wird bald sehen, ob ich Recht hatte.
    Ein eigenthümliches Mißgeschick war es, daß ich unter meinen Verbindungen beständig Schriftstellerinnen hatte. Ich glaubte, wenigstens in der großen Welt diesem Mißgeschicke aus dem Wege zu gehen. Keineswegs, es verfolgte mich auch dorthin. Frau von Luxembourg war jedoch meines Wissens nie von dieser Sucht angesteckt; aber Frau Gräfin von Boufflers war es. Sie verfaßte ein Trauerspiel in Prosa, das anfangs in dem Gesellschaftskreise des Prinzen von Conti gelesen, umhergeschickt und gerühmt wurde, und über welches sie, mit so vielen Lobeserhebungen noch nicht zufrieden, auch mein Urtheil hören wollte, um meines Lobes ebenfalls theilhaftig zu werden. Sie erhielt es, wenn auch maßvoll, wie das Werk es verdiente. Sie erhielt noch mehr, nämlich die Hinweisung, die ich ihr schuldig zu sein glaubte, daß ihr Stück, welches den Titel »Der edelmüthige Sklave« führte, eine sehr große Aehnlichkeit mit einem ziemlich wenig bekannten englischen Stücke hatte, das aber gleichwohl bereits übersetzt war und »Oroonoco« hieß. Frau von Boufflers sprach mir ihren Dank für diese Mittheilung aus, während sie zugleich versicherte, daß ihr Stück dem andern durchaus nicht ähnelte. Ich habe von diesem Plagiat mit niemandem in der Welt als mit ihr allein gesprochen, und das, um eine Pflicht zu erfüllen, die sie mir auferlegt hatte. Das hat mich nicht abgehalten, seitdem oft an das Loos zu denken, das Gil Blas bei dem predigenden Erzbischofe zu Theil wurde.
    Außer dem Abbé von Boufflers, der mich nicht liebte, außer Frau von Boufflers, der ich Kränkungen zugefügt hatte, die weder Frauen noch Schriftsteller je verzeihen, schienen mir alle andern Freunde der Frau Marschall stets wenig geneigt, die meinigen zu werden, unter andern der Herr Präsident Hénault, der, in die Reihen der Schriftsteller eingetreten, von ihren Fehlern nicht frei geblieben war. Dazu gehört auch Frau Du Deffand und Fräulein von Lespinasse, beide mit Voltaire sehr vertraut und innige Freundinnen d'Alemberts, mit dem letztere sogar endlich, natürlich in aller Zucht und Ehrbarkeit, wie es ja gar nicht anders denkbar ist, zusammengelebt hat. Für Frau Du Deffant, die der Verlust ihres Augenlichts mir zu einem Gegenstande des Mitleids machte, hatte ich mich anfangs lebhaft interessirt; aber ihre Lebensweise, die der meinigen so entgegengesetzt war, daß der Eine aufstand, wenn der Andere zu Bett ging; ihre grenzenlose Leidenschaft für eine kleinliche Art den Schöngeist zu spielen; die Wichtigkeit, die sie im Guten wie im Bösen auf die geringsten Wische legte, die erschienen; der Despotismus und die Heftigkeit ihrer Orakelsprüche; ihre übertriebene Eingenommenheit für oder wider alle Dinge, so daß ihr Sprechen, wovon sie auch redete, fast krampfhaft klang; ihre unglaublichen Vorurtheile; ihre unüberwindliche Hartnäckigkeit; ihre alberne Schwärmerei, in welche sie der Starrsinn ihrer leidenschaftlichen Urtheile versetzte; dies alles schreckte mich bald von den Aufmerksamkeiten ab, die ich ihr erweisen wollte. Ich vernachlässigte sie; sie nahm es wahr. Dies reichte hin, sie in Wuth zu versetzen, und obgleich ich mir recht wohl bewußt war, wie sehr eine Frau ihres Charakters zu fürchten sein konnte, so wollte ich mich doch lieber der Geißel ihres Hasses als der ihrer Freundschaft aussetzen.
    Es war noch nicht genug, so wenig Freunde in dem Gesellschaftskreise der Frau von Luxembourg zu besitzen, ich mußte auch noch Feinde in ihrer Familie haben. Zwar hatte ich nur einen, aber er wiegt in der Lage, in der ich mich gegenwärtig befinde, ihrer hundert auf. Es war wahrlich nicht ihr Bruder, der Herzog von Villeroy, denn er hatte mich nicht nur besucht, sondern mich auch wiederholentlich eingeladen, nach Villeroy zu kommen, und da ich auf diese Einladung mit aller nur möglichen Ehrfurcht und Höflichkeit geantwortet hatte, betrachtete er diese unbestimmte Antwort als eine bindende Zusage. Er hatte mit Herrn und Frau von Luxembourg einen vierzehntägigen Besuch verabredet, an dem ich teilzunehmen aufgefordert wurde. Da die Pflege, die meine Gesundheit verlangte, mir damals eine Ortsveränderung nicht

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