Rousseau's Bekenntnisse
Schriftsteller zeigen, welche die Religion angriffen. Man machte mir zum Vorwurfe, daß ich den »Emil« unter meinem Namen hätte erscheinen lassen, als ob ich mich nicht zu allen meinen andern Schriften bekannt hätte, worüber man nichts gesagt. Man schien sich zu fürchten, sich zu Schritten genöthigt zu sehen, die man ungern thäte, die aber die Umstände nöthig machten und meine Unklugheit veranlaßt hätte. Diese Gerüchte drangen bis zu mir und beunruhigten mich wenig; es kam mir nicht einmal in den Sinn, daß bei dieser ganzen Angelegenheit auch nur das Geringste vorkommen könnte, das mich persönlich anginge, mich, der ich mich so vollkommen vorwurfsfrei, so wohl unterstützt fühlte, so getreulich alle Verpflichtungen in jeder Hinsicht erfüllt zu haben glaubte und nicht fürchtete, daß mich Frau von Luxembourg um eines Unrechts willen, das, wenn es wirklich vorgefallen sein sollte, lediglich ihr zur Last fiel, in Verlegenheit lassen würde. Weil ich jedoch wußte, wie es in solchen Fällen hergeht, und daß es Brauch ist, gegen die Buchhändler mit Strenge einzuschreiten, während man die Schriftsteller verschont, so war ich wegen des armen Duchesne, wenn sich Herr von Malesherbes seiner nicht annahm, nicht frei von Unruhe.
[Fußnote: Es ist hier am Platze, eine auf die Veröffentlichung des »Emil« bezügliche Erklärung Malesherbes' bekannt zu machen, eine Erklärung, die sich nach Rousseau's Tode unter seinen Papieren fand und deren er selbst überraschender Weise weder in seinen Bekenntnissen noch sonst irgendwo Erwähnung gethan hat. Du Peyrou hat sie mit Recht für einen zu wichtigen Beleg erkannt, um nicht zur Kenntnis des Publikums gebracht zu werden, und hat sie in Folge dessen in dem zweiten Theile der Bekenntnisse veröffentlicht. Die Erklärung lautet:
»Als Herr Rousseau über sein Werk »Emil oder über die Erziehung« verhandelte, sagten ihm die, mit denen er den Vertrag abschloß, es wäre ihre Absicht, es in Holland drucken zu lassen. Ein Buchhändler, der Eigenthümer des Manuscripts geworden war, bat um die Erlaubnis, es in Frankreich drucken zu lassen, ohne den Verfasser davon in Kenntnis zu setzen. Man nannte ihm einen Censor. Nachdem der Censor die ersten Hefte geprüft hatte, gab er ein Verzeichnis einiger Stellen, deren Aenderung er für nöthig hielt. Dieses Verzeichnis wurde Herrn Rousseau mitgetheilt, dem man kurz vorher mitgetheilt hatte, daß der Druck seines Werkes in Paris begonnen hätte.
»Er erklärte der Obercensurbehörde, daß es unnütz wäre, in den ersten Heften Aenderungen vorzunehmen, da die Fortsetzung zeigen würde, daß das ganze Werk in Frankreich nie erlaubt werden könnte. Er fügte hinzu, daß er nicht gegen die Gesetze verstoßen wollte, und bei der Abfassung seines Buches nur daran gedacht hätte, es in Holland drucken zu lassen, wo es, wie er glaubte, erscheinen könnte, ohne dem Landesgesetze zuwider zu handeln.
»Nach dieser von Herrn Rousseau selbst abgegebenen Erklärung erhielt der Censor den Befehl, mit der Prüfung aufzuhören, und wurde dem Buchhändler angezeigt, daß er nie die Genehmigung erhalten würde. Nach diesen vollkommen zuverlässigen Thatsachen, die durchaus nicht abgeläugnet werden können, ist Herr Rousseau zu versichern im Stande, wenn das Buch »Emil oder über die Erziehung« trotz des Verbotes in Paris gedruckt ist, so sei es ohne seine Einwilligung und ohne sein Wissen geschehen und er habe, so weit es auf ihn angekommen wäre, alles gethan, es zu verhindern.
»Die in dieser Darstellung enthaltenen Thatsachen sind durchaus wahr, und da Herr Rousseau wünscht, daß ich es ihm bescheinige, so kann ich ihm diese Erklärung nicht vorenthalten.
»Paris, den 31. Januar 1766.
»Lamoignon von Malesherbes.«]
Ich blieb ruhig. Das Gerücht nahm zu und änderte bald den Ton. Das Publikum und namentlich das Parlament schienen durch meine Ruhe gereizt zu werden. Nach Verlauf einiger Tage wurde die Aufregung furchtbar; die Drohungen wechselten jetzt den Gegenstand und richteten sich unmittelbar gegen mich. Man hörte Mitglieder des Parlaments ganz offen sagen, mit dem Verbrennen der Bücher käme man nicht weiter, man müßte ihre Verfasser verbrennen. Gegen die Buchhändler ließ man sich nichts verlauten. Als mir diese Aeußerungen, die eines Inquisitors von Goa würdiger waren als eines Senators, zum ersten Male zu Ohren kamen, zweifelte ich nicht daran, daß es eine Erfindung der Holbachianer wäre, die darauf ausgingen, mich in
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