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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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ihre Freundschaft für mich verdiente doch wohl, daß ich mich nicht der Gefahr aussetzte, sie bloßzustellen. Ich erwiderte, daß sie in einem solchen Falle völlig ruhig sein könnte, da ich sie gewiß nicht in die Angelegenheit verwickeln würde. Sie erwiderte, daß dieser Entschluß leichter zu fassen als auszuführen wäre, und darin hatte sie ja Recht, namentlich bei mir, der entschlossen ist, vor dem Richterstuhle nie falsch zu schwören oder zu lügen, welche Gefahr es auch immer nach sich ziehen könnte, die Wahrheit zu sagen.
    Als sie sah, daß diese Bemerkung einigen Eindruck auf mich gemacht hatte, ohne daß ich mich indessen zur Flucht entschließen konnte, sprach sie mir von einigen Wochen Einschließung in der Bastille als von einem Mittel, mich der Gerichtsbarkeit des Parlaments zu entziehen, welches mit den Staatsgefangenen nichts zu thun hat. Gegen diese eigenthümliche Gnade erhob ich keinen Einwand, sobald sie nicht in meinem Namen beantragt würde. Da sie mit mir nicht mehr davon sprach, bin ich später überzeugt gewesen, daß sie diesen Gedanken nur angeregt hatte, um mich auszuforschen, und daß man ein Auskunftsmittel, das allem ein Ende machte, gar nicht gewollt hatte.
    Einige Tage später erhielt der Herr Marschall von dem Pfarrer von Deuil, einem Freunde Grimms und der Frau von Epinay, einen Brief, mit der seiner Behauptung nach aus guter Quelle stammenden Nachricht, daß das Parlament mit äußerster Strenge gegen mich einschreiten würde und an einem von ihm angegebenen Tage meine Verhaftung beschlossen werden sollte. Diese Mittheilung hielt ich für ein Holbachsches Machwerk; ich wußte, daß das Parlament die Formen sehr genau beobachtete, und daß es sie alle gröblich verletzen hieße, wollte man bei dieser Gelegenheit mit einem Haftbefehl beginnen, ehe der gerichtliche Beweis geliefert war, daß ich das Buch auch als das meinige anerkannte und wirklich der Verfasser desselben war. »Nur bei den Verbrechen,« sagte ich zu Frau von Boufflers, »welche die öffentliche Sicherheit gefährden, beschließt man auf die einfache Anzeige hin die Verhaftung der Angeklagten, damit sie der Strafe nicht entgehen. Wenn man aber ein Vergehen wie das meinige bestrafen will, welches Ehren und Belohnungen verdient, so geht man gegen das Buch vor und vermeidet, so viel man kann, den Verfasser anzugreifen.« Sie machte darauf eine spitzfindige Unterscheidung, die ich vergessen habe, um mir zu beweisen, es geschähe aus Gunst, wenn man einen Haftbefehl gegen mich erließe, anstatt mich zum Verhöre vorzuladen. Am folgenden Tage erhielt ich einen Brief von Guy, der mir anzeigte, er hätte, als er an demselben Tage bei dem Herrn Generalprocurator gewesen, auf seinem Schreibtische den Entwurf eines Klageantrages wider den »Emil« und dessen Verfasser gesehen. Zu bemerken ist, daß genannter Guy der Associe Duchesnes war, der das Werk gedruckt hatte; persönlich selbst ganz sicher, machte er dem Verfasser diese Anzeige nur aus lauter Christenliebe. Man kann sich vorstellen, wie glaubhaft mir das alles erschien! Es war so einfach, so natürlich, daß ein zur Audienz bei dem Herrn Generalprocurator vorgelassener Buchhändler die auf dem Schreibtische dieses Beamten umherliegenden Manuscripte und Entwürfe in aller Seelenruhe las! Frau von Boufflers und andere traten für die Wahrheit ein. Bei den Albernheiten, die man mir unaufhörlich wiederholte, fühlte ich mich zu glauben versucht, die ganze Welt wäre närrisch geworden.
    Da ich sehr gut einsah, daß unter dem allen ein Geheimnis läge, das man mir nicht sagen wollte, wartete ich den Ausgang ruhig ab, indem ich mich auf meine Redlichkeit und Unschuld in dieser ganzen Angelegenheit verließ. Welche Verfolgung meiner auch warten sollte, war ich doch unglücklich, zu der Ehre berufen zu sein, für die Wahrheit zu leiden. Weit davon entfernt, mich zu fürchten und verborgen zu halten, ging ich jeden Morgen nach dem Schlosse und machte Nachmittags meinen gewöhnlichen Spaziergang. Am 8. Juni, dem Vorabende des Haftbefehls, machte ich ihn mit zwei Professoren von den Oratorianern, dem Pater Alamanni und dem Pater Mandard. Wir nahmen nach den Champeaux ein kleines Vesperbrot mit hinaus, das wir mit großen Appetite einnahmen. Da wir Gläser mitzubringen vergessen hatten, ersetzten wir sie durch Kornhalme, mit denen wir den Wein aus der Flasche saugten, wobei wir uns bemühten, die breitesten aufzufinden, damit wir dabei besser wegkämen. Nie in meinem Leben

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