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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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Vorstellungen wider eine Rechtsverletzung, die sie selbst im hohen Grade berührte, erwartet. Diese unterblieben völlig. Ihre Anführer suchten weniger die wirkliche Abstellung von Beeinträchtigungen, als die Gelegenheit, sich nothwendig zu machen. Man schmiedete Ränke, aber man schwieg und ließ die Schwätzer und Scheinheiligen oder ähnliches Gelichter belfern, die der Rath vorschob, um mich bei der großen Menge verhaßt zu machen und seine Albernheit dem religiösen Eifer zuschreiben zu können.
    Nachdem ich vergeblich länger als ein Jahr gewartet hatte, daß jemand gegen ein ungesetzliches Verfahren einschritte, faßte ich endlich einen Entschluß. Da ich mich von meinen Mitbürgern verlassen sah, war es mein fester Vorsatz auf meine undankbare Vaterstadt zu verzichten, in der ich nie gelebt, von der ich weder eine Wohlthat noch eine Freundlichkeit empfangen hatte, und von der ich mich zum Lohne für die Ehre, die ich ihr zu machen gesucht, unter einstimmiger Beipflichtung, indem die, welche hätten reden sollen, schwiegen, so unwürdig behandelt sah. Ich schrieb deshalb an den derzeitigen ersten Syndikus, einen gewissen Herrn Favre, wie ich glaube, einen Brief, indem ich feierlich meinem Bürgerrechte entsagte, sonst aber den Anstand und die Mäßigung beobachtete, die ich immer in die Handlungen des Stolzes gelegt habe, zu denen mich die Grausamkeit meiner Feinde in den Zeiten meines Unglücks oft gezwungen hat.
    Dieser Schritt öffnete den Bürgern endlich die Augen; einsehend, daß sie Unrecht gehabt und meine Vertheidigung in ihrem eigenen Interesse nicht hätten verabsäumen dürfen, schritten sie zu derselben, als es nicht mehr an der Zeit war. Sie verbanden damit noch andere Beschwerden und fanden darin Stoff zu mehreren sehr vernünftigen Vorstellungen, die sie in dem Maße erweiterten und verstärkten, wie ihnen die in harter und schroffer Weise ertheilten abschlägigen Bescheide des Rathes, der sich von dem französischen Ministerium unterstützt fühlte, den Plan desselben, sie zu knechten, immer deutlicher zum Bewußtsein brachte. Diese Zänkereien veranlaßten verschiedene Broschüren, die nichts entschieden, bis plötzlich die »Lettres écrites de la Campagne« erschienen, ein für den Rath mit ungemeiner Gewandtheit geschriebenes Werk, durch welches die angreifende Partei zum Schweigen gebracht und eine Zeit lang vernichtet wurde. Diese Broschüre, ein unvergängliches Denkmal der seltenen Talente ihres Verfassers, war vom Generalprocurator Tronchin verfaßt, einem geistreichen, aufgeklärten und in den Gesetzen und der Verfassung der Republik sehr erfahrenen Manne. Siluit terra.

1764
    Von ihrer anfänglichen Mutlosigkeit sich erholend, erließen die Angreifer eine Antwort und zeigten sich mit der Zeit ihrer Aufgabe ziemlich gewachsen. Alle aber warfen die Augen auf mich, wie auf den Einzigen, der gegen einen solchen Gegner, mit der Hoffnung ihn niederzuschmettern, in die Schranken treten könnte. Ich gestehe, daß ich eben so dachte; und von meinen früheren Mitbürgern gedrängt, die es mir zur Pflicht machten, ihnen in einer durch mich veranlaßten Bedrängnis mit meiner Feder Beistand zu leisten, unternahm ich die Widerlegung der »Lettres écrites de la Campagne« und parodirte den Titel, indem ich meine Schrift »Lettres écrites de la Montagne« nannte. Ich ging ans Werk und führte es so im Geheimen aus, daß ich bei einer Zusammenkunft, die ich in Thonon mit den Häuptern der angreifenden Partei hatte, um mit ihnen in ihren Angelegenheiten Rücksprache zu nehmen, und in der sie mir den flüchtigen Entwurf ihrer Erwiderung zeigten, ihnen nicht ein Wort von der meinigen, die bereits vollendet war, sagte, weil ich besorgte, der Druck könnte auf ein Hindernis stoßen, wenn den Behörden oder meinen Privatfeinden auch nur das Geringste davon zu Ohren käme. Trotzdem konnte ich es nicht verhindern, daß dieses Werk in Frankreich vor seinem Erscheinen bekannt wurde, aber man wollte es lieber erscheinen als mich zu deutlich merken lassen, wie man mein Geheimnis entdeckt hatte. Das Wenige, was ich darüber erfahren habe, werde ich sagen, über meine Vermuthungen jedoch schweigen.
    In Motiers bekam ich fast eben so viele Besuche, wie ich auf der Eremitage und in Montmorency erhalten hatte, aber die meisten waren von einer sehr verschiedenen Art. Meine früheren Besucher, die mit mir in Talent, Neigung und Grundsätzen übereinstimmten, schützten diese als Grund ihres Kommens vor und zogen

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