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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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ersten Trunkenheit für die »Julie« stammten, konnten niemand interessiren. Sie enthielten höchstens einige Klatschereien Diderots, einige Witzeleien Deleyres, einige Freundschaftsbezeigungen der Frau von Chenonceaux oder sogar der Frau von Epinay, mit der ich damals auf bestem Fuße stand. Wem konnte an diesen Briefen gelegen sein? Was wollte man mit ihnen anfangen? Erst sieben Jahre später habe ich die schändliche Absicht dieses Diebstahls geargwöhnt.
    In Folge des augenscheinlichen Fehlens dieser Briefe suchte ich unter meinen Concepten, ob ich auch unter ihnen einige vermissen würde. Ich konnte mehrere nicht finden, was mich bei meinem schwachen Gedächtnisse das Fehlen noch anderer in der Menge meiner Papiere annehmen ließ. Ich wurde gewahr, daß das Concept der »Sensitiven Moral« sowie das zu dem Auszuge ans den »Abenteuern des Lord Eduard« verschwunden waren. Das Fehlen des letzteren lenkte, wie ich gestehe, meinen Verdacht auf Frau von Luxembourg. Ihr Kammerdiener La Roche hatte diese Papiere an mich abgesandt und sie allein in der Welt konnte meines Bedünkens Interesse an diesem Wische nehmen. Was für ein Interesse konnte sie jedoch an dem andern und den geraubten Briefen nehmen, von denen man selbst bei böser Absicht keinen mir nachtheiligen Gebrauch machen konnte, falls man keine Fälschung vornehmen wollte? Den Herrn Marschall, dessen unerschütterliche Redlichkeit und aufrichtige Freundschaft für mich ich kannte, konnte ich nicht einen Augenblick in Verdacht haben. Ich konnte diesen Verdacht nicht einmal gegen die Frau Marschall festhalten. Nach langem Nachsinnen, um den Urheber dieses Diebstahls zu entdecken, schien es mir am vernünftigsten, d'Alembert dafür zu halten, der sich schon damals bei Frau von Luxembourg eingenistet und Gelegenheit gefunden haben konnte, diese Papiere zu durchsuchen und aus ihnen an Manuscripten wie an Briefen mitzunehmen, was ihm gefallen hatte, sei es nun, um jemand mit mir zu verfeinden, oder um sich anzueignen, was ihm etwa zusagte. Ich nahm an, daß er durch den Titel der »Sensitiven Moral« irregeleitet, darin den Plan zu einem vollständigen Lehrbuche über den Materialismus zu finden geglaubt hatte, den er, wie man sich vorstellen kann, nach Kräften gegen mich verwerthet haben würde. Ueberzeugt, daß er bei Durchsicht des Conceptes bald enttäuscht sein würde, und entschlossen, mich von der Literatur ganz zurückzuziehen, beunruhigte ich mich wenig über diese Entwendungen, die nicht die ersten von derselben Hand [Fußnote: In seinen »Elementen der Musik« hatte ich vieles gefunden, das dem, was ich über diese Kunst für die Encyklopädie geschrieben und was ihm mehrere Jahre vor dem Erscheinen seiner Elemente zugestellt worden, entnommen war. Ich weiß nicht, welchen Antheil er an einem Buche haben konnte, welches den Titel »Wörterbuch der schönen Künste« führte, allein ich habe darin von den meinigen Wort für Wort abgeschriebene Artikel gefunden, und zwar lange bevor diese nämlichen Artikel in der Encyklopädie gedruckt waren.] waren, welche ich, ohne mich darüber zu beklagen, geduldet hatte. Bald dachte ich an diese Treulosigkeit nicht mehr, als hätte man gar keine gegen mich verübt, und ich schickte mich an, die Materialien, die man mir gelassen hatte, wieder zu ordnen, um an meinen »Bekenntnissen« zu arbeiten.
    Lange hatte ich geglaubt, daß in Genf die Gastlichkeit oder wenigstens die wirklichen Bürger und die Meister gegen die Verletzung des Religonsedictes, die in der gegen mich erlassenen Verfügung lag, Einspruch erheben würden. Alles blieb ruhig, wenigstens äußerlich, denn es war eine allgemeine Unzufriedenheit vorhanden, die nur auf eine Gelegenheit wartete, um sich kund zu thun. Meine Freunde, oder doch meine sogenannten Freunde, schrieben Briefe über Briefe an mich, in denen sie mich aufforderten, zu kommen und mich an ihre Spitze zu stellen, und mir eine öffentliche Ehrenerklärung von Seiten des Rathes zusicherten. Die Besorgnis vor Unordnung und Unruhen, die meine Gegenwart hervorrufen konnte, hielt mich ab, auf ihre Bitten einzugehen; und treu dem Eide, den ich einst abgelegt hatte, mich in meiner Vaterstadt nie in einen bürgerlichen Zwist einzulassen, wollte ich lieber die mir zugefügte Beleidigung bestehen lassen und mich für immer aus meiner Heimat verbannen, als mir die Rückkehr dahin durch gewaltsame und gefährliche Mittel bahnen. Allerdings hatte ich von der Bürgerschaft gesetzliche und friedliche

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