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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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Lesen gebracht hat, obgleich sie leidlich schreibt. Als ich in der Rue Neuve-des-Petits-Champs wohnte, hatte ich gerade meinen Fenstern gegenüber an dem Hôtel Pontchartrain das Zifferblatt einer Sonnenuhr, auf dem ich mich einen ganzen Monat bemühte, sie die Stunden unterscheiden zu lehren. Kaum kennt sie sie jetzt endlich. Sie hat sich nie nach der Reihenfolge der zwölf Monate im Jahre richten können und kennt kein einziges Zahlzeichen trotz aller Mühe, die ich mir gegeben habe, sie mit denselben vertraut zu machen. Sie versteht weder Geld zu berechnen, noch kennt sie den Preis irgend einer Sache. Das Wort, das ihr beim Reden hervorsprudelt, ist oft das Gegentheil von dem, was sie sagen will. Früher hatte ich mir einmal ein Verzeichnis von ihren Redensarten gemacht, um Frau von Luxembourg zu unterhalten, und ihre Verwechselungen sind in den Gesellschaften, in welchen ich mich bewegte, berühmt geworden. Allein diese so beschränkte und, wenn man will, auch so dumme Person ist in schwierigen Fällen eine ausgezeichnete Rathgeberin. In der Schweiz, in England, in Frankreich, in den kritischen Lebenslagen, die ich durchzukämpfen hatte, hat sie das, was ich selbst nicht sah, richtig erkannt; hat mir die besten Rathschläge ertheilt, hat mich Gefahren entrissen, in die ich mich blindlings stürzte, und vor Damen des höchsten Ranges, vor Großen und Fürsten haben ihre Gesinnungen, ihr klarer Verstand, ihre Antworten und ihr Betragen ihr die allgemeine Achtung erworben, während mir die freundlichste Anerkennung ihres Werthes, deren Aufrichtigkeit ich herausfühlte, zu Theil wurde.
    Bei Personen, die man liebt, nährt das Gefühl nicht nur das Herz, sondern auch den Geist und man ist nicht sehr benöthigt, anderswo Nahrung für den Geist zu suchen. Ich lebte mit meiner Therese so angenehm wie mit dem genialsten Menschen von der Welt. Ihre Mutter, stolz darüber, einst im Hause der Marquise von Monpipeau erzogen zu sein, spielte den Schöngeist, wollte sie leiten und verdarb durch ihre Arglist die Harmlosigkeit unseres Verhältnisses. Der Aerger über diese störende Beeinflussung ließ mich einigermaßen die thörichte Scham überwinden, in der ich nicht den Muth hatte, mich mit Therese öffentlich zu zeigen, und wir machten kleine Spaziergänge auf das Land hinaus und nahmen daselbst einen frugalen Imbiß, wobei ich mich in der heitersten Stimmung befand. Ich sah, daß sie mich aufrichtig liebte, und das verdoppelte meine Zärtlichkeit. Diese süße Vertraulichkeit gewährte mir Ersatz für alles. Die Zukunft machte keinen Eindruck mehr auf mich oder nur den, daß sie die verlängerte Gegenwart wäre; ich wünschte mir nur die unaufhörliche Dauer der letzteren zu sichern.
    Dieses Verhältnis machte mir jede andere Zerstreuung überflüssig und werthlos. Ich ging nur noch aus, um Therese zu besuchen; ihre Wohnung wurde fast die meinige. Dieses zurückgezogene Leben war für meine Arbeit so förderlich, daß meine ganze Oper, Text wie Musik, in weniger als drei Monaten fertig war. Nur einige Begleit- und Füllstimmen blieben mir noch zu vollenden. Diese handwerksmäßige Arbeit war mir sehr langweilig. Ich schlug deshalb Philidor vor, sie mir gegen einen Gewinnanteil abzunehmen. Er kam zweimal und componirte einige Füllstimmen im Akte des Ovid, konnte sich aber für einen erst in der Ferne liegenden und noch dazu unsichern Gewinn nicht an eine zeitraubende Arbeit fesseln lassen. Er kam nicht mehr wieder, und ich vollendete meine Arbeit selbst.
    Nach Beendigung meiner Oper galt es nun, Nutzen aus ihr zu ziehen; dies verlangte größere Mühe als die Oper selbst. In Paris erreicht man nichts, wenn man für sich allein lebt. Ich gedachte mir durch Vermittelung des Herrn Poplinière, bei dem mich Herr Gauffecourt nach der Rückkehr von Genf eingeführt hatte, den Weg zu bahnen. Herr De la Poplinière war der Mäcen Rameaus; Frau De la Poplinière war seine ganz gehorsame Schülerin. Rameau machte so zu sagen in diesem Hause Regen und Sonnenschein. In dem Wahne, daß er dem Werke eines seiner Schüler mit Freuden förderlich sein würde, wollte ich ihm das meinige vorlegen. Er lehnte die Durchsicht unter dem Vorwande ab, daß er Partituren nicht lesen könnte und ihn dies zu sehr anstrengte. Frau De la Poplinière meinte hierauf, man könnte sie ihm ja aufführen lassen, und erbot sich, einige Musiker zur Ausführung einiger Stücke daraus in ihrem Hause zu versammeln. Ich verlangte nichts Besseres. Rameau gab

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