Rousseau's Bekenntnisse
verdrießlich seine Einwilligung, indem er unaufhörlich wiederholte, die Composition eines Menschen, der nicht das Kind eines Musikers wäre und die Musik nur aus sich selbst gelernt hätte, müßte wirklich etwas Reizendes sein. Ich schrieb schnell die Stimmen von fünf oder sechs der besten Stücke heraus. Man gab mir zehn Symphonisten und als Sänger Albert, Bérard und Fräulein Bourbonnais. Gleich von der Ouverture an begann Rameau durch seine übertriebenen Lobsprüche zu verstehen zu geben, daß sie nicht von mir sein könnte. Kein Stück ließ er vorübergehen, ohne Zeichen der Ungeduld von sich zu geben; aber bei einer Arie für Altstimme, deren Vortrag männlich und wohlklingend war und bei der auch die Begleitung glänzend ausfiel, konnte er sich nicht länger bezähmen. Mit einer Roheit, die bei jedermann Anstoß erregte, fuhr er mich barsch an und sagte, daß ein Theil dessen, was er gehört, von einem in seiner Kunst vollendeten Meister wäre, während das Uebrige von einem Stümper herrührte, der von der Musik auch nicht die geringste Ahnung hätte. Allerdings war meine Arbeit, ungleich und regellos, bald erhaben, bald sehr flach, wie es die eines jeden sein muß, der sich nur durch einige Geistesblitze über das Gewöhnliche erhebt und sich auf sein Wissen nicht stützen kann. Rameau behauptete in mir nur einen talent- und geschmacklosen Menschen zu erkennen, der sich mit fremden Federn schmückte. Die Anwesenden und namentlich der Hausherr dachten nicht so. Herr von Richelieu, welcher in jener Zeit Herrn, und wie man weiß, auch Frau De la Poplinière häufig besuchte, erfuhr von meinem Werke und wollte es ganz hören, mit der Absicht, es, wenn es seine Zufriedenheit erwürbe, am Hofe zur Aufführung zu bringen. Es wurde bei Herrn von Bonneval, dem Intendanten der Hoflustbarkeiten, mit großen Chören und großem Orchester auf königliche Kosten aufgeführt. Francœur dirigirte. Die Wirkung war überraschend. Der Herr Herzog hörte nicht auf laut Beifall zu klatschen und im Akte Tasso erhob er sich nach Beendigung eines Chores, kam auf mich zu und sagte, indem er mir die Hand drückte: »Herr Rousseau, das ist eine entzückende Harmonie! Ich habe nie etwas Schöneres gehört; ich werde dieses Werk in Versailles aufführen lassen.« Frau De la Poplinière, die zugegen war, sagte nicht ein Wort. Rameau hatte, obgleich er eingeladen war, nicht kommen wollen. Als ich Frau De la Poplinière am folgenden Tage in ihrem Boudoir meine Aufwartung machte, wurde mir ein sehr kalter Empfang zu Theil; sie sprach sich über mein Stück sehr wegwerfend aus und sagte mir, obgleich anfangs das bischen Klingklang den Herrn von Richelieu verblendet hätte, so wäre er doch vollkommen davon zurückgekommen, und sie riethe mir, mich nicht auf den Erfolg meiner Oper zu verlassen. Der Herr Herzog kam kurz darauf dazu und führte eine ganz andere Sprache gegen mich, sagte mir viel Schmeichelhaftes über meine Talente und schien mir nach wie vor geneigt, mein Stück vor dem König aufführen zu lassen. »Nur der Akt Tasso,« sagte er, »eignet sich nicht für den Hof; er bedarf einer Überarbeitung.« Auf dieses einzige Wort hin schloß ich mich in meiner Behausung ein und hatte an Stelle des Tasso in drei Wochen einen andern Akt ausgearbeitet, dessen Gegenstand der von einer Muse begeisterte Hesiod war. Ich hatte es verstanden, in diesen Akt einen Theil der Entwickelungsgeschichte meiner Talente einzuschalten und auf die Eifersucht anzuspielen, mit der sich Rameau sie zu beehren bemühte. In diesem Akte machte sich ein weniger gigantischer Schwung bemerkbar, aber es herrschte in ihm mehr Gleichmäßigkeit und Sorgfalt als in dem des Tasso; die Musik desselben war eben so edel und weit besser componirt, und wären die beiden andern Akte eben so gehaltvoll gewesen wie dieser, so würde das ganze Stück sicherlich bei der Aufführung einen ehrenvollen Erfolg erzielt haben; allein während ich mit den Vorbereitungen dazu beschäftigt war, vereitelte eine andere Unternehmung die Ausführung.
1745 – 1747
In dem auf die Schlacht von Fontenoy folgenden Winter fanden in Versailles viele Festlichkeiten statt, unter andern wurden im Theater des Petites-Ecuries mehrere Opern aufgeführt. Zu ihnen gehörte auch Voltaire's Drama »Die Prinzessin von Navarra« zu dem Rameau die Musik geschrieben hatte. Nachdem es vorher vollkommen umgearbeitet und dadurch wesentlich verbessert worden, hatte es den Titel »Das Fest Ramiro's«
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