Rousseau's Bekenntnisse
erhalten. Diese neue Bearbeitung, welche von dem Originale mitunter bedeutend abwich, machte bei den Divertissements, sowohl was die Verse als auch die Musik anlangte, einige Aenderungen nöthig. Es kam nun darauf an, jemanden zu finden, der dieser doppelten Aufgabe gewachsen war. Da Voltaire, der sich damals in Lothringen aufhielt, und Rameau beide mit der Oper »Der Ruhmestempel« beschäftigt waren und es deshalb nicht persönlich übernehmen konnten, so dachte Herr von Richelieu an mich, ließ mir die Arbeit anbieten und sandte mir, damit ich ihren Umfang besser überschauen könnte, das Gedicht und die Musik, jedes für sich. Vor allem wollte ich jedoch nicht ohne Genehmigung des Verfassers an den Worten rühren und schrieb deshalb in dieser Angelegenheit an ihn einen sehr höflichen und sogar ehrerbietigen Brief, wie es sich ziemte. Darauf erhielt ich folgende Antwort, deren Original sich in dem Briefpacket A, Nr. 1 befindet.
Den 15. December 1745.
Sie vereinigen, mein Herr, zwei Talente, die bis zu dieser Zeit stets getrennt gewesen sind. Darin liegen für mich bereits zwei gute Gründe, Sie zu achten und lieb zu gewinnen. Es thut mir um Ihretwillen leid, daß Sie diese beiden Talente an ein Werk wenden, welches ihrer schwerlich würdig ist. Vor einigen Monaten befahl mir der Herr Herzog von Richelieu gebieterisch, im Handumdrehen eine kleine und schlechte Skizze von faden und nicht völlig ausgearbeiteten Scenen zu entwerfen, die zu Divertissements, welche für meine Arbeit gar nicht gemacht sind, zugestutzt werden sollten. Ich gehorchte mit größter Pünktlichkeit; ich arbeitete sehr schnell und sehr schlecht. Diesen elenden Entwurf sandte ich dem Herrn Herzoge von Richelieu, darauf rechnend, daß er davon keinen Gebrauch machen oder ihn mir doch zur Umarbeitung zurückschicken würde. Glücklicherweise ist er jetzt in Ihren Händen; Sie sind unumschränkter Herr darüber; ich habe die ganze Arbeit völlig aus den Augen verloren. Ich zweifle nicht, daß Sie alle Fehler, die bei einer so reißend schnellen Ausarbeitung einer einfachen Skizze unvermeidlich sind, verbessert und überall nachgeholfen haben.
So viel habe ich noch in der Erinnerung, daß, von andern Mängeln ganz abgesehen, in den Scenen, welche die Divertissements verbinden, nicht gesagt ist, wie die Prinzessin Grenadine aus einem Gefängnisse mit einem Male in einen Garten oder in einen Palast versetzt wird. Da ihr kein Zauberer, sondern ein spanischer Grande Feste giebt, so darf meines Bedünkens auch nichts durch Zauberei geschehen. Ich bitte Sie, mein Herr, Ihr Augenmerk recht auf diese Stelle richten zu wollen, von der ich nur noch eine verworrene Vorstellung habe. Sehen Sie, ob es nöthig ist, daß sich das Gefängnis öffne und man unsere Prinzessin aus diesem Gefängnisse in einen schönen goldenen und glänzenden Palast versetze, der besonders für sie hergerichtet ist. Ich weiß recht gut, daß dies alles äußerst nichtig und es unter der Würde eines denkenden Wesens ist, dergleichen unwichtige Dinge ernsthaft zu behandeln; allein da es nun einmal gilt, so wenig Mißfallen wie möglich zu erregen, so muß man ja selbst in ein schlechtes Operndivertissement so viel Vernunft, wie nur irgend möglich ist, hineinbringen.
Ich schenke Ihnen und Herrn Ballod in allem mein ganzes Vertrauen und rechne darauf bald die Ehre zu haben, Ihnen, mein Herr, meinen Dank aussprechen und die Versicherung geben zu können, wie sehr ich bin etc. etc.
Die große Höflichkeit dieses Briefes im Vergleiche zu seinen späteren, ziemlich stolzen Briefen an mich darf übrigens nicht Wunder nehmen. Er glaubte mich bei Herrn von Richelieu in großer Gunst, und die höfische Geschmeidigkeit, die man an ihm kennt, bewog ihn zu großer Rücksicht gegen einen Neuling, bis er die Höhe seines Ansehens besser kannte.
Von Herrn von Voltaire bevollmächtigt und aller Rücksichten gegen Rameau, der mir nur zu schaden suchte, überhoben, machte ich mich nun an die Arbeit und in zwei Monaten war mein Werk vollendet. Die Verse hatten nicht viele Aenderungen nöthig gemacht. Ich bemühte mich vor allem, daß man die Verschiedenheit des Stils nicht merkte, und war dünkelhaft genug zu glauben, daß mir dies gelungen wäre. Der musikalische Theil hatte mir dagegen längere und schwierigere Arbeit gemacht. Außerdem daß ich mehrere besondere Ausstattungsstücke und unter andern die Ouvertüre zu componiren hatte, zeigten sich auch alle Recitative, die mir überwiesen
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