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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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übrigens die strengen Grundsätze, die ich angenommen hatte, mit einer Stellung, die ihnen so wenig entsprach? Würde es sich wohl für mich gut ausgenommen haben, als Kassirer eines Receveur général des Finances Uneigennützigkeit und Armuth zu predigen? Diese Gedanken geriethen bei meinem fieberhaften Zustande in meinem Kopfe in eine solche Gährung, sie setzten sich darin mit solcher Gewalt fest, daß ich mich ihrer seitdem nie wieder entschlagen konnte, und während meiner Genesung bestärkte ich mich bei kaltem Blute in den Entschlüssen, die ich in meiner Fieberhitze gefaßt hatte. Ich entsagte für immer jedem Plane, mein Glück zu machen und emporzukommen. Entschlossen, die kurze Lebenszeit, die mir noch blieb, in Unabhängigkeit und Armuth zuzubringen, wandte ich alle meine Seelenkräfte darauf an, die Fesseln der öffentlichen Meinung zu brechen und das, was mir gut schien, muthig auszuführen, ohne mich irgend wie um das Urtheil der Menschen zu kümmern. Die Hindernisse, die ich zu bekämpfen hatte, und die Anstrengungen, die ich machte, sie zu überwinden, sind unglaublich. Es gelang mir, so weit es möglich war, und besser als ich selbst gehofft hatte. Hätte ich das Joch der Freundschaft eben so gut wie das der öffentlichen Meinung abgeschüttelt, so würde ich mein Vorhaben durchgesetzt haben, das größte vielleicht oder der Tugend wenigstens heilsamste, das je ein Sterblicher gefaßt hat; aber während ich die unverständigen Urtheile des großen Haufens der sogenannten Großen und der sogenannten Gelehrten mit Füßen trat, ließ ich mich wie ein Kind von sogenannten Freunden unterjochen und führen, die eifersüchtig darauf, mich stolz und allein eine neue Bahn wandeln zu sehen, sich scheinbar angelegen sein ließen, mich glücklich zu machen, während sie doch in Wahrheit nur darauf ausgingen, mich lächerlich zu machen und an meiner Demüthigung zu arbeiten begannen, um es später dahin zu bringen, mir meinen guten Namen zu rauben. Ihre Eifersucht zog mir weniger meine literarische Berühmtheit als meine persönliche Umwandlung zu, die sich in dieser Zeit, wie ich es angegeben habe, in mir vollzog. Sie würden mir vielleicht verziehen haben, in der Kunst der Schriftstellerei zu glänzen, konnten mir aber nicht verzeihen, durch mein Leben ein Beispiel zu geben, das ihnen lästig zu fallen schien. Ich war für die Freundschaft geboren; mein nachgiebiges und sanftes Gemüth unterhielt sie ohne Mühe. So lange ich der Lesewelt unbekannt lebte, wurde ich von allen, die mich kannten, geliebt und hatte nicht einen einzigen Feind; aber sobald ich mir einen Namen errang, hatte ich keine Freunde mehr. Es war ein sehr großes Unglück, ein noch größeres, von Leuten umringt zu sein, die diesen Namen annahmen und die Rechte, die er ihnen gab, nur dazu benutzten, mich ins Verderben zu stürzen. Die Fortsetzung dieser Denkwürdigkeiten wird diesen schändlichen Anschlag enthüllen; ich weise hier nur den Ursprung nach; man wird bald den ersten Knoten schürzen sehen.
    In der Unabhängigkeit, in der ich leben wollte, mußte ich jedoch zu leben haben. Ich verfiel auf ein sehr einfaches Mittel; dies bestand darin, Noten zu einem bestimmten Preise für die Seite abzuschreiben. Hätte irgend eine bessere Beschäftigung denselben Zweck erfüllt, würde ich sie ergriffen haben; aber da ich zu jener Lust hatte, und sie die einzige war, die mir ohne persönliche Unterordnung das Brot von einem Tage zum andern gewähren konnte, so hielt ich mich an sie. Da ich für die Zukunft nicht mehr sorgen zu brauchen glaubte und die Eitelkeit zum Schweigen brachte, verwandelte ich mich aus dem Kassirer eines Finanzmannes in einen Notenabschreiber. Ich glaubte bei dieser Wahl viel gewonnen zu haben und habe sie so wenig bereut, daß ich dieses Geschäft nur gezwungenerweise aufgegeben habe, um es, sobald ich es vermag, wieder aufzunehmen.
    Der Erfolg meiner ersten Abhandlung erleichterte mir die Ausführung dieses Entschlusses. Als ihr der Preis zuerkannt war, übernahm es Diderot, sie durch die Presse zu veröffentlichen. Während ich noch das Bett hüten mußte, zeigte er mir in einem Billet ihr Erscheinen und ihre Wirkung an. »Sie schwingt sich,« versicherte er mir, »über die Wolken empor; sie hat einen beispiellosen Erfolg.« Diese durch niemanden künstlich hervorgerufene Gunst des Publikums für einen noch unbekannten Schriftsteller gab mir das erste wahre Vertrauen zu meinem Talente, an dem ich trotz der innern

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