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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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vergessen, aber aus Trägheit vernachlässigt, und hatte ihm meine Schriften nicht übersandt, da es mir an einer günstigen Gelegenheit fehlte, sie ihm rechtzeitig zugehen zu lassen. Ich hatte also Unrecht, und er griff mich, allerdings auf anständige Weise, an, und ich antwortete eben so. Er entgegnete in entschiedenerem Tone. Dies zwang mich zu einer neuen Erwiderung, die er unbeantwortet ließ. Aber er wurde mein glühendster Feind, wandte die Zeit meiner Unglücksfälle an, um schändliche Schmähschriften gegen mich zu verfassen, und reiste nur in der Absicht, mir dort zu schaden, nach London.
    Alle diese Polemik nahm mich sehr in Anspruch, so daß mir viel Zeit für meine Notenabschriften verloren ging, während die Wahrheit doch wenig gefördert wurde und meine Börse nur geringen Vortheil davon hatte. Pissot, der mein damaliger Verleger war, gab mir für meine Broschüren stets sehr wenig, oft gar nichts. Für meine erste Abhandlung bekam ich zum Beispiel nicht einen Heller; Diderot hatte sie ihm umsonst gegeben. Ich mußte immer lange warten und das Wenige, was er mir gab, groschenweise aus ihm herauspressen. Mittlerweile blieb das Abschreiben großentheils liegen. Ich hatte mich auf zwei Geschäfte gelegt, das war das richtige Mittel, sie beide schlecht zu betreiben.
    Auch noch in anderer Weise, durch die verschiedene Lebensart, zu der sie mich nöthigten, standen sie sich gegenseitig im Wege. Der Erfolg meiner ersten Schriften hatte mich in Mode gebracht. Der Stand, welchen ich ergriffen, reizte die Neugier; man wollte den sonderbaren Menschen kennen lernen, der niemanden aufsuchte und sein Augenmerk nur darauf gerichtet hatte, nach seiner Weise frei und glücklich zu leben; das war genügend, um es ihm unmöglich zu machen. Mein Zimmer wurde von Leuten nicht leer, die unter verschiedenen Vorwänden erschienen, um meine Zeit für sich in Anspruch zu nehmen. Die Frauen wandten tausend Kunstgriffe an, um mich als Gast bei sich zu sehen. Je beleidigender ich gegen die Leute auftrat, desto hartnäckiger wurden sie. Ich konnte mich nicht aller Welt entziehen. Während ich mir durch meine Weigerungen tausend Feinde zuzog, legte mir doch mein freundliches Entgegenkommen unaufhörlich Fesseln an, und wie ich es auch immer anstellte, hatte ich doch Tag für Tag keine freie Stunde für mich.
    Ich erkannte damals, daß es nicht immer so leicht ist, wie man wähnt, arm und unabhängig zu sein. Ich wollte von meinem Geschäfte leben; das Publikum gab es nicht zu. Man verfiel auf tausend kleine Mittel, mich für die Zeit, um die man mich brachte, [Fußnote: Var. ... um die man mich brachte, zu entschädigen. Es regnete Geschenke jeglicher Art. Bald etc. etc.] zu entschädigen. Bald hätte ich mich wie Polichinel öffentlich für Geld ausstellen lassen müssen. Ich kenne keine erniedrigendere und schmerzlichere Sklaverei als eine derartige. Das einzige Mittel dagegen schien mir, große wie kleine Geschenke abzulehnen und niemandem gegenüber, es mochte sein, wer es wollte, eine Ausnahme zu machen. Dies alles zog nur noch mehr Geschenkgeber herbei, die nach dem Ruhme geizten, meinen Widerstand zu überwinden und mich zu zwingen, ihnen wider meinen Willen verpflichtet zu sein. Leute, die mir, wenn ich sie darum gebeten, nicht einen Thaler gegeben hätten, hörten nicht auf, mich mit ihren Anerbietungen zu belästigen und, um sich dafür, daß sie sich abgewiesen sahen, zu rächen, nannten sie meine Ablehnung Anmaßung und Prahlerei.
    Man wird sich wohl denken, daß der von mir gefaßte Entschluß und der Plan, den ich befolgen wollte, nicht nach Frau Le Vasseurs Geschmack war. So uneigennützig die Tochter auch war, hielt sie das doch nicht ab, sich von ihrer Mutter leiten zu lassen; und die gebietenden Hausfrauen ( les gouverneuses ), wie Gauffecourt sie nannte, waren in der Ablehnung von Geschenken nicht immer eben so fest wie ich. Obgleich man mir vieles verhehlte, sah ich genug, um mir sagen zu können, daß ich nicht alles sah, und dies peinigte mich, weniger um deswillen, weil man mich, wie ich leicht voraussah, des Einverständnisses mit ihnen bezichtigen würde, als um der schmerzlichen Vorstellung willen, daß ich nie Herr in meinem Hause noch über mich selbst sein könnte. Ich bat, beschwor sie, wurde ärgerlich, alles umsonst; die Mama erklärte mich für einen ewigen Brummbär und Griesgram, mit meinen Freunden gab es ein beständiges Flüstern; alles in meiner Wirthschaft war für mich Dunkel und Geheimnis,

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