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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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und um mich nicht unaufhörlich Stürmen auszusetzen, wagte ich gar nicht mehr nach dem, was in ihr vorging, zu fragen. Um mich aus aller dieser Unruhe zu reißen, hätte ich eine Festigkeit nöthig gehabt, die mir leider abging. Ich verstand mich zu ereifern, aber nicht zu handeln; man ließ mich reden und verfolgte seinen eigenen Weg.
    Diese fortwährenden Beunruhigungen und täglichen Belästigungen, denen ich ausgesetzt war, machten mir endlich meine Wohnung und den Aufenthalt in Paris unerträglich. Wenn mir meine Unpäßlichkeit gestattete auszugehen, und ich mich nicht von meinen Bekannten hierhin oder dorthin mitschleppen ließ, ging ich allein spazieren; ich sann über meinen großen Plan nach und warf mit Hilfe einiger reiner Blätter Papier und eines Bleistifts, die ich stets bei mir hatte, Betrachtungen darüber auf das Papier. Daraus läßt sich erkennen, wie gerade die unvorhergesehenen Unannehmlichkeiten eines Berufes meiner eigenen Wahl mich, um ihrer überhoben zu werden, völlig zur Literatur trieben, und weshalb sich in meinen ersten Werken das Gift und die Galle zu erkennen geben, die mich zu dieser Beschäftigung drängten.
    Noch ein anderer Umstand trug dazu bei. Wider meinen Willen in die große Welt versetzt, ohne mit ihrem Tone vertraut zu sein, unfähig, ihn anzunehmen und mich ihm unterwerfen zu können, kam ich auf den Einfall, einen eigenen anzunehmen, der mich dessen überhob. Da meine alberne und widerwärtige Blödigkeit, die ich nicht zu überwinden vermochte, aus der Besorgnis herfloß, den Anstand zu verletzen, beschloß ich mir dadurch Muth einzuflößen, daß ich alle Schicklichkeit mit Füßen trat. Ich spielte aus Verlegenheit den Cyniker und Spötter, ich stellte mich, als ob ich die Höflichkeit, die ich nicht zu bezeigen verstand, verachtete. Dieses rauhe Wesen, welches mit meinen neuen Grundsätzen übereinstimmte, wurde allerdings in meiner Seele geadelt und nahm in ihr die Unerschrockenheit der Tugend an; und auf dieser erhabenen Grundlage hat es sich, wie ich zu behaupten wage, besser und länger erhalten, als man nach einer meiner Natur so widerstrebenden Anstrengung hätte erwarten sollen. Allein trotz des Rufes meines Menschenhasses, den mir mein Aeußeres und einige glückliche Einfälle in der großen Welt zuzogen, spielte ich doch, wie ich versichern kann, meine Rolle in Privatkreisen stets schlecht. Meine Freunde und Bekannte leiteten diesen scheuen Bären wie ein Lamm, und indem ich meine beißenden Spöttereien auf unangenehme, aber allgemeine Wahrheiten beschränkte, habe ich mich nie unterfangen, irgend jemandem auch nur ein einziges kränkendes Wort zu sagen.
    »Der Dorfwahrsager« brachte mich vollends in die Höhe, und bald gab es keinen gesuchteren Menschen in Paris als mich. Die Geschichte dieses Stückes, welches Epoche machte, hängt mit meinen damaligen Umgangskreisen zusammen. Zum Verständnisse des sich daran Knüpfenden muß ich auf dieses sonst unbedeutende Stück näher eingehen.
    Ich hatte eine ziemlich große Anzahl von Bekannten, aber nur zwei Freunde eigener Wahl, Diderot und Grimm. Ich war allzu sehr beider Freund, um nicht bei dem lebhaften Wunsche, den ich stets hege, alles, was mir theuer ist, zusammen zu führen, dahin zu trachten, daß sie es auch bald unter einander würden. Ich sorgte für ihre gegenseitige Bekanntschaft; sie gefielen sich und schlossen einen noch engeren Freundschaftsbund unter einander, als sie mit mir unterhielten. Diderot hatte zahllose Bekannte, aber Grimm, der ein Fremdling und erst vor kurzem angekommen war, hatte das Bedürfnis, Bekanntschaften zu machen. Ich verlangte nichts Besseres, als ihm solche zu verschaffen. Hatte ich ihn mit Diderot befreundet, so gewann ich ihm nun auch die Freundschaft Gauffecourts. Ich führte ihn zu Frau von Chenonceaux, zu Frau von Epinay und zu dem Baron von Holbach, mit dem ich fast wider Willen in freundschaftlichem Verkehre stand. Alle meine Freunde wurden die seinigen; das war ja ganz einfach. Aber keiner der seinigen wurde je der meinige, und das war befremdender. Während er bei dem Grafen von Friesen wohnte, lud er uns ziemlich häufig zum Mittagsessen ein, aber nie habe ich irgend ein Zeichen von Freundschaft oder Wohlwollen vom Grafen von Friesen oder vom Grafen von Schomberg, seinem Verwandten und einem sehr vertrauten Freunde Grimms, oder von irgend einer Person, sei es von Männern oder Frauen, mit denen Grimm durch jener Vermittelung verkehrte, erhalten. Ich nehme

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