Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
Vom Netzwerk:
Versen, die Grimm und der Vikar wohl oder übel zusammen geschmiedet hatten. Ich kann mich nicht enthalten, mir diese in Augenblicken reiner Freude gesetzten und gesungenen Terzette, die ich mit allen meinen Musikalien in Vootton ließ, zurückzuwünschen. Fräulein Davenport hat vielleicht schon Haarwickel daraus gemacht; aber sie verdienten aufbewahrt zu werden, denn sie sind größtenteils von einem sehr gutem Contrapunkte. Nach einer dieser kleinen Reisen, auf der ich das Vergnügen gehabt, Tantchen in äußerstem Wohlsein und größter Heiterkeit zu sehen, und auf der ich mich ebenfalls sehr ergötzt hatte, schrieb ich an den Vikar eine sehr schnell hingeworfene und dafür auch gar schlecht ausgefallene Epistel in Versen, welche man unter meinen Papieren finden wird.
    In noch größerer Nähe bei Paris hatte ich einen andern, mir sehr angenehmen Verkehrsort bei meinem Landsmanne, Verwandten und Freunde Mussard, der sich in Passy ein reizendes Landhaus erbaut, in dem ich recht friedvolle Augenblicke verlebt habe. Mussard, ein Juwelier, war ein Mann von klarem Verstande, der, nachdem er in seinem Geschäfte ein anständiges Vermögen erworben und seine einzige Tochter mit Herrn von Valmalette, dem Haushofmeister des Königs und Sohne eines Wechselsensals, vermählt hatte, den klugen Entschluß faßte, auf seine alten Tage Handel und Geschäfte aufzugeben und zwischen dem unruhigen Treiben des Lebens und dem Tode noch eine Zeit der Ruhe und des Genusses zuzubringen. Der wackere Mussard, ein wahrer praktischer Philosoph, lebte frei von Sorgen in einem sehr geschmackvollen Hause, das er sich selbst erbaut, und in einem allerliebsten Garten, den er mit eigenen Händen angelegt hatte. Beim gründlichen Umgraben der Terrassen dieses Gartens fand er fossiles Muschelwerk, und zwar in so bedeutender Menge, daß seine erregte Einbildungskraft in der Natur nur noch Muscheln sah und er endlich im Ernste überzeugt war, das Weltall wäre nur Muschelwerk, zerbröckelte Muscheln, und die ganze Erde nichts als Muschelsand. Beständig von diesem Gegenstande und seinen seltsamen Entdeckungen erfüllt, erhitzte er sich an diesen Vorstellungen in so hohem Grade, daß sie endlich in seinem Kopfe zu einem festen System, das heißt zur Tollheit übergegangen wären, wenn nicht zum großen Glücke für seine Vernunft, aber zum großen Unglücke für seine Freunde, die ihn lieb hatten und bei ihm den angenehmsten Verkehrsort fanden, der Tod gekommen wäre, um ihn ihnen durch die sonderbarste und schmerzlichste Krankheit zu rauben. Es entwickelte sich bei ihm eine Geschwulst im Magen, die ihn bei ihrer steten Zunahme am Essen hinderte, ohne daß man längere Zeit hindurch die Ursache entdeckte, und ihn endlich nach mehrjährigen Leiden den Hungertod sterben ließ. Ich kann nicht ohne bitteren Kummer an die letzten Lebensstunden dieses armen und würdigen Mannes zurückdenken, der, wenn er uns, Lenieps und mich, die einzigen Freunde, welche der Anblick seiner Leiden bis zu seiner letzten Stunde nicht von ihm fern zu halten vermochte, mit immer gleicher Freude empfing, an dem Mahle, das er uns vorsetzen ließ, nur noch mit den Augen theilnehmen und höchstens einige Tropfen eines sehr leichten Thees herunterbringen konnte, die er einen Augenblick später wieder von sich geben mußte. Allein wie viel angenehme Stunden habe ich vor dieser Schmerzenszeit mit den ausgewählten Freunden, die er sich erworben, bei ihm zugebracht! Der vorzüglichste war in meinen Augen der Abbé Prevost, ein sehr liebenswürdiger und einfacher Mann, dessen Herz seinen der Unsterblichkeit würdigen Schriften Leben verlieh, während er doch in seinem Wesen und im Umgange nichts von dem düsteren Colorit zeigte, das er seinen Werken aufprägte; dann der Arzt Procope, ein kleiner Aesop, der bei den Frauen viel Glück hatte; ferner Boulanger, der berühmte Verfasser des hinterlassenen Werkes »Der orientalische Despotismus«, der sich, wie ich glaube, gleichzeitig die Verbreitung des Mussardschen Systems über die Dauer der Welt angelegen sein ließ. Von Frauen seien erwähnt die Frau Denis, Voltaire's Nichte, welche wegen ihrer damals hervortretenden Herzensgüte noch nicht den Schöngeist spielte; Frau Banloo, wahrlich nicht schön, aber reizend und von einer wahren Engelsstimme; Frau von Valmalette selber, die ebenfalls sang und trotz ihrer Magerkeit sehr liebenswürdig gewesen wäre, hätte sie weniger Anspruch darauf gemacht. So war ungefähr Herrn Mussards

Weitere Kostenlose Bücher