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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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Gesellschaftskreis, der mir ziemlich zugesagt haben würde, wenn mir nicht das Alleinbleiben mit ihm trotz seiner Muschelwuth noch lieber gewesen wäre, und ich kann wohl sagen, daß ich in seinem Studirzimmer länger als sechs Monate mit eben so großem Vergnügen wie er selbst gearbeitet habe.
    Schon lange vorher hatte er behauptet, das Wasser von Passy würde mir für meinen Zustand heilsam sein, und mich aufgefordert, es bei ihm zu trinken. Um mich auf einige Zeit dem Gewühl der Großstadt zu entreißen, gab ich endlich nach und verweilte acht oder zehn Tage zu Passy, die mir mehr um des ländlichen Aufenthalts willen wohl thaten, als um des Wassers willen, das ich trank. Mussard spielte Violoncell und liebte italienische Musik leidenschaftlich. Eines Abends sprachen wir, ehe wir schlafen gingen, viel von ihr und namentlich von der komischen Oper, die wir beide in Italien gesehen hatten und für die wir beide schwärmten. Da ich die Nacht nicht schlafen konnte, dachte ich darüber nach, wie man es anfangen müßte, um in Frankreich die Vorstellung eines Dramas dieser Art zu erwecken, denn »Ragondens Liebschaften« hatten damit keine Aehnlichkeit. Als ich am Morgen spazieren ging und Brunnen trank, warf ich in aller Eile einige Arten von Versen hin und paßte sie den Melodien an, die mir beim Niederschreiben einfielen. Ich schmierte das alles in einer Art gewölbten Salons nieder, der oben im Garten gelegen war, und beim Thee konnte ich nicht umhin, diese musikalischen Partien Mussard und Fräulein Duvernois, seiner Haushälterin, die in Wahrheit ein sehr gutes und liebenswürdiges Mädchen war, zu zeigen. Die drei Stücke, die ich flüchtig ausgeführt hatte, waren der erste Monolog: »Meinen Diener find ich nirgends«; die Arie des Wahrsagers: »Liebe wächst, befällt sie Furcht«, und das letzte Duett: »Ach, auf ewig heiß' ich mein dich«. Ich bildete mir so wenig ein, daß es sich der Mühe lohnen würde, die Skizze zu vollenden, daß ich ohne Beider Beifall und Ermuthigung meine paar Stückchen Papier ins Feuer geworfen und nicht mehr an sie gedacht hätte, wie ich es schon so oft mit wenigstens eben so guten Sachen gemacht; allein sie wirkten so ermunternd auf mich ein, daß bis auf wenige Verse in sechs Tagen mein Drama geschrieben und die ganze Musik dazu skizzirt war, so daß mir in Paris nur noch einige Recitative und die Nebenrollen übrig blieben. Ich vollendete das Ganze in solcher Geschwindigkeit, daß in drei Wochen meine sämmtlichen Auftritte ins Reine geschrieben und zur Darstellung bereit waren. Es fehlte nur die Balleteinlage, die erst lange nachher gemacht wurde.

1752
    Von der Composition dieses Werkes entflammt, hatte ich ein großes Verlangen, es zu hören, und ich würde alles in der Welt darum gegeben haben, es nu r für mich bei verschlossenen Thüren aufführen zu sehen, wie Lulli dem Gerede nach einmal die Armide für sich allein spielen ließ. Da ich dieses Vergnügen nur mit dem Publikum zusammen haben konnte, war es durchaus nöthig, die Annahme meines Stückes bei der Oper durchzusetzen, wenn ich mich daran erfreuen wollte. Leider war es von einer ganz neuen, den Ohren noch völlig ungewohnten Art, und überdies ließ mich der üble Erfolg der »Galanten Musen« den gleichen für den »Wahrsager« voraussehen, falls ich ihn unter meinem eigenen Namen einreichte. Duclos zog mich aus der Verlegenheit, indem er es übernahm, das Werk ohne Angabe des Verfassers zur Probe aufführen zu lassen. Um mich nicht zu verrathen, wohnte ich dieser Probe nicht bei, und die kleinen Violinisten, [Fußnote: So nannte man nämlich Rebet und Francœur, die sich schon in ihrer Jugend dadurch einen Namen gemacht hatten, daß sie in den Häusern stets zusammen geigten.] welche sie leiteten, erfuhren den Verfasser und Componisten selbst erst, nachdem dem Werke ein allgemeiner Beifall zu Theil geworden war. Alle Zuhörer waren davon bis zu dem Grade entzückt, daß man schon am nächsten Tage in allen Gesellschaften von nichts Anderem sprach. Herr von Cury, der Intendant der Hoflustbarkeiten, der bei der Probe zugegen gewesen war, verlangte das Werk, um es bei Hofe zur Aufführung zu bringen. Duclos, der meine Absichten kannte, schlug es ihm ab, da er dachte, daß ich bei Hofe weniger Herr über meine Arbeit sein würde, als in Paris. Cury verlangte es kraft seines Amtes; Duclos gab nicht nach, und der Streit wurde unter ihnen so lebhaft, daß es eines Tages zwischen ihnen während der Oper beinahe

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