Rousseau's Bekenntnisse
Antheil nahm, zugefügt hätte. So machte er mir am Ende doch die Wahrheit meiner Ahnungen und Befürchtungen fühlbar. Ich persönlich bin überzeugt, daß mir meine erwähnten Freunde die Herausgabe von Büchern, und sogar von vorzüglichen Büchern verziehen hätten, da ihnen dieser Ruhm gleichfalls zu Theil werden konnte; aber sie vermochten mir nicht die Composition einer Oper und den glänzenden Erfolg dieses Stückes zu verzeihen, weil keiner von ihnen im Stande war, mit mir auf diesem Gebiete zu wetteifern und nach denselben Ehren zu streben. Duclos allein schien, über diese Eifersucht erhaben, seine Freundschaft für mich noch zu vermehren und führte mich bei Fräulein Quinault ein, bei der ich eben so viele Aufmerksamkeiten, Freundlichkeiten und gütiges Entgegenkommen fand, wie ich bei Herrn von Holbach das Gegentheil davon gefunden hatte.
Während man in der Oper den »Dorfwahrsager« spielte, war von seinem Verfasser in der Comedie Française ebenfalls die Rede, aber freilich in etwas weniger vorteilhafter Weise. Nachdem ich in der italienischen Oper meinen »Narciß« seit sieben oder acht Jahren nicht hatte zur Aufführung bringen können, war ich dieses Theaters wegen des schlechten Spiels der Schauspieler in französischen Stücken überdrüssig geworden, und hätte das meinige lieber von Franzosen als von ihnen aufführen sehen. Ich sprach diesen Wunsch dem Schauspieler La Noue aus, mit dem ich Bekanntschaft angeknüpft hatte und der bekanntlich ein sehr begabter Mann und Schriftsteller war. »Narciß« gefiel ihm; er übernahm es, ihn ohne Nennung des Verfassers aufführen zu lassen und einstweilen verschaffte er mir freien Eintritt, der mir große Freude bereitete, denn ich habe das Theater Français stets den beiden andern vorgezogen. Das Stück wurde beifällig angenommen und ohne Angabe des Dichters aufgeführt; aber ich habe Grund zu glauben, daß ihn die Schauspieler und viele andere recht gut kannten. Die Fräulein Gaussin und Grandval spielten die Rollen der Liebhaberinnen; und obgleich es meines Erachtens an Verständnis für das Ganze fehlte, so konnte man das Spiel doch nicht geradezu schlecht nennen. Trotzdem wurde ich von der Nachsicht des Publikums, welches die Geduld besaß, von Anfang bis zu Ende ruhig zuzuhören und sogar eine zweite Vorstellung über sich ergehen zu lassen, ohne das geringste Zeichen von Ungeduld zu geben, überrascht und gerührt. Ich meinestheils langweilte mich schon bei der ersten dergestalt, daß ich es nicht bis zu Ende aushalten konnte. Ich verließ das Theater und begab mich nach dem Café Procop, wo ich Boissy und einige andere traf, die sich vermuthlich eben so wie ich gelangweilt hatten. Dort sagte ich laut mein peccavi , indem ich mich demüthig und doch auch stolz als Verfasser des Stückes bekannte und über dasselbe sprach, wie jedermann dachte. Dieses öffentliche Geständnis, der Dichter eines schlechten, Fiasco machenden Stückes zu sein, wurde sehr bewundert, obwohl es mir durchaus nicht schwer vorkam. In dem Muthe, mit dem es abgelegt wurde, fand ich sogar eine Entschädigung meiner Eigenliebe, und bei dieser Gelegenheit lag, wie ich glaube, mehr Stolz darin, zu sprechen, als falsche Scham darin gelegen hätte, zu schweigen. Da sich indessen mit Sicherheit annehmen ließ, daß das Stück, einen so frostigen Eindruck es auch bei der Aufführung machte, beim Lesen besser gefallen würde, ließ ich es drucken; und in der Vorrede, die ich zu meinen guten Schriften rechne, begann ich meine Grundsätze ein wenig offener und klarer, als ich es bisher gethan, darzulegen.
Ich bekam bald Gelegenheit, sie in einem Werke von größerem Belange vollständig zu entwickeln, denn in eben diesem Jahre 1753 erschien, wie ich denke, das Programm der Akademie von Dijon über den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen. Von dieser großen Frage angeregt, war ich überrascht, daß die Akademie den Muth gehabt, sie aufzugeben; aber da sie ihn einmal gehabt hatte, konnte ich auch wohl den haben, sie zu behandeln, und ich unternahm es.
Um über dieses große Thema in Ruhe nachzudenken, machte ich mit Therese, unserer Wirthin, einer höchst gutmüthigen Frau, und mit einer ihrer Freundinnen eine Reise von sieben oder acht Tagen nach Saint-Germain. Ich rechne diesen Ausflug zu den angenehmsten meines Lebens. Das Wetter war sehr schön; die guten Frauen sorgten für alles und trugen die Kosten; Therese war mit ihnen heiter und glücklich, und ich, der ich mich
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