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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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doppeltem Grunde zustand, so unterließ ich doch nicht, es mir ausdrücklich in Gegenwart des Herrn Duclos auszubedingen. Allerdings sandte man mir durch den Kassirer der Oper fünfzig Louisd'or, die ich gar nicht verlangt hatte, als Honorar; aber ganz abgesehen davon, daß diese fünfzig Louisd'or nicht einmal die Summe ausmachten, die mir dem Brauche nach zustand, so hatte diese Zahlung mit dem ausdrücklich vorbehaltenen Eintrittsrechte, das davon völlig unabhängig war, nichts gemein. Aus dieser Handlungsweise leuchtete eine solche Verbindung von Unbilligkeit und Rohheit hervor, daß sich das Publikum trotz seiner damals großen Erbitterung gegen mich doch einmüthig dadurch verletzt fühlte, und mancher, der mich Tags zuvor noch verhöhnt hatte, rief am folgenden Tage ganz laut im Saale aus, es wäre eine Schande, einem Autor, der den freien Eintritt so wohl verdient hätte und sogar für zwei Personen beanspruchen könnte, denselben auf solche Weise wieder zu entziehen. So ist das italienische Sprichwort, daß ogn'un ama la giustizia in casa d'altrui .
    Mir blieb in dieser Angelegenheit kein anderer Ausweg übrig, als mein Werk, da man mich um den verabredeten Preis für dasselbe brachte, zurückzuverlangen. Ich schrieb in dieser Absicht an Herrn von Argenson, dem die Leitung der Oper übertragen war, und fügte diesem Briefe eine unwiderlegliche Denkschrift bei, die eben so wie mein Brief ohne Antwort und Erfolg blieb. Das Schweigen dieses ungerechten Mannes kränkte mich empfindlich und trug nicht dazu bei, die sehr geringe Achtung, die ich immer für seinen Charakter und seine Talente empfand, zu erhöhen. So hat man mein Stück bei der Oper behalten, während man mich um die Entschädigung, für die ich es hingegeben, betrog. Thäte der Schwache dergleichen dem Starken, würde man es Diebstahl nennen; verfährt aber der Starke so gegen den Schwachen, so heißt es lediglich Aneignung fremden Gutes.
    Was den baaren Ertrag dieses Werkes anlangt, so war er, obgleich es mir nur den vierten Theil dessen einbrachte, was ein anderer von ihm erzielt hätte, doch immerhin groß genug, um mich in den Stand zu setzen, mehrere Jahre zu leben und zu dem Verdienst von dem Notenabschreiben, das stets ziemlich schlecht ging, einen hübschen Zuschuß zu gewähren. Ich bekam vom König hundert Louisd'or, von Frau von Pompadour fünfzig für die Aufführung in Belle-Vue, in der sie selbst die Rolle des Colin spielte, fünfzig von der Oper und fünfhundert Franken von Pissot für die Druckerlaubnis, so daß mir dieses Zwischenspiel, welches mich nur fünf oder sechs Wochen Arbeit kostete, trotz meines Mißgeschickes und meiner Dummheit fast eben so viel Geld eintrug, als später der »Emil«, an dem ich nach zwanzigjährigem Nachdenken drei Jahre gearbeitet hatte; aber den pecuniären Wohlstand, in den mich dieses Stück versetzte, mußte ich durch die endlosen Verdrießlichkeiten, die es mir zuzog, theuer bezahlen; er war der Keim der geheimen Mißgunst, die erst später zu Tage trat. Seit dem Erfolge meines Stückes zeigte mir weder Grimm noch Diderot noch irgend einer der Schriftsteller meiner Bekanntschaft mehr jene Herzlichkeit, Offenheit und Freude, mich zu sehen, die ich bisher an ihnen wahrzunehmen geglaubt hatte. Sobald ich bei dem Baron erschien, hörte das Gespräch auf allgemein zu sein. Man trat in Gruppen zusammen, man zischelte sich heimlich in die Ohren, und ich blieb allein, ohne zu wissen, mit wem ich sprechen sollte. Lange hielt ich diese verletzende Vernachlässigung aus, und da ich bemerkte, daß mich Frau von Holbach, die sanft und liebenswürdig war, stets freundlich aufnahm, ertrug ich die Ungeschliffenheiten ihres Gemahls, so lange sie zu ertragen waren; aber eines Tages griff er mich ohne Grund, ohne Vorwand in Gegenwart Diderots, der nicht ein Wort sagte, und Vargencys, der mir nachher oft seine Bewunderung über die Milde und Mäßigung meiner Antworten ausgesprochen hat, mit einer solchen Rohheit an, daß ich endlich, durch diese unwürdige Behandlung verjagt, sofort sein Haus mit dem Entschlusse verließ, es nie wieder zu betreten. Dies hielt mich nicht ab, von ihm und seinem Hause stets ehrenvoll zu reden, während er sich über mich immer nur in kränkenden und verächtlichen Ausdrücken erging. Er nannte mich nie anders als »dieser kleine Schulfuchs« und war doch nie im Stande auch nur das geringste Unrecht irgend einer Art bestimmt anzugeben, das ich je ihm oder irgend jemandem, an dem er

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