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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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werden, während ihre Mutter das Haus bewachen sollte. Nachdem alle Vorbereitungen getroffen waren, reisten wir den ersten Juni 1754 alle drei zusammen ab.
    Diese Reise muß ich als die Zeit der ersten Erfahrung bezeichnen, die bis jetzt, und ich zählte schon zweiundvierzig Jahre, meine mir angeborene vertrauensselige Natur, welcher ich mich stets rückhaltlos und ungestraft überlassen hatte, schwer erschütterte. Wir hatten einen sehr einfachen Wagen, der uns mit denselben Pferden in ganz kleinen Tagereisen weiter beförderte. Ich stieg aus und ging zu Fuß. Kaum hatten wir die Hälfte unseres Weges zurückgelegt, als Therese das größte Widerstreben verrieth, in dem Wagen mit Gauffecourt allein zu bleiben, und sobald ich trotz ihrer Bitten aussteigen wollte, gleichfalls ausstieg und auch ging. Ich schalt sie lange wegen dieser Laune aus und widersetzte mich ihr sogar entschieden, bis sie sich endlich genöthigt sah, mir den Grund ihres Benehmens zu erklären. Ich glaubte zu träumen, ich fiel wie aus den Wolken, als ich zu hören bekam, daß mein Freund, der mehr als sechszigjährige Herr von Gauffecourt, mit dem Podagra behaftet, impotent, von Vergnügungen und Genüssen erschöpft, seit unserer Abreise daran arbeitete, eine Person zu verführen, die nicht mehr schön noch jung war und seinem Freunde gehörte, und zwar durch die elendesten und schmachvollsten Mittel, die so weit gingen, daß er sich nicht entblödete, ihr seine Börse anzubieten und sie durch die Lectüre eines abscheulichen Buches mit einer Unzahl nichtswürdiger Bilder aufzuregen. Entrüstet schleuderte ihm Therese einmal sein schändliches Buch zur Wagenthüre hinaus, und ich vernahm, daß er schon am ersten Tage, wo ich wegen heftigen Kopfwehes noch vor dem Abendessen zu Bette gegangen war, die ganze Zeit dieses Alleinseins zu Versuchen und Kunstgriffen benutzt, würdiger eines Satyrs oder eines Ziegenbockes als eines Ehrenmannes, dem ich meine Lebensgefährtin und mich selbst anvertraut hatte. Was für eine Ueberraschung, was für ein Seelenschmerz für mich, wie ich ihn nie empfunden! Ich, der ich bisher die Freundschaft für unzertrennlich von allen liebenswürdigen und edlen Gefühlen gehalten hatte, die ihr erst den wahren Reiz verleihen, ich sehe mich zum ersten Male in meinem Leben gezwungen, sie mit Verachtung zu paaren und einem Manne, den ich liebe und von dem ich mich geliebt glaube, mein Vertrauen und meine Achtung zu entziehen! Der Unglückselige verbarg vor mir seine Schändlichkeit. Um nicht Therese bloßzustellen, mußte ich ihm nothgedrungen meine Verachtung verhehlen und in der Tiefe meines Herzens Gesinnungen verschließen, die er nicht erfahren durfte. Süßes und heiliges Blendwerk der Freundschaft! Gauffecourt hob zuerst vor meinen Augen den dich hüllenden Schleier empor! Wie viele grausame Hände haben seitdem verhindert, daß er wieder niedersinken konnte!
    In Lyon trennte ich mich von Gaussecourt, um meinen Weg durch Savoyen zu nehmen, da ich mich nicht entschließen konnte, abermals so nahe an Mamas Aufenthalt vorüber zu reisen, ohne sie wiederzusehen. Ich sah sie wieder ... mein Gott, in welchem Zustande, in welchem Grade der Versunkenheit! Was war ihr von ihrer früheren Tugend geblieben? War das die nämliche, ehemals so glänzende Frau von Warens, an die mich der Pfarrer Pontverre gewiesen hatte? Wie tief mein Herz betrübt war! Ich sah für sie keinen andern Ausweg mehr, als ihre jetzige Heimat zu verlassen. Ich wiederholte ihr auf das lebhafteste, aber vergebens die dringenden Bitten, die ich in meinen Briefen wiederholentlich an sie gerichtet hatte, zu mir zu kommen und in Ruhe bei mir zu leben; ich versprach ihr, meine und Theresens Lebenstage dem Streben zu weihen, die ihrigen glücklich zu machen. Immer nur an ihre Pension denkend, von der sie, obgleich sie pünktlich ausgezahlt wurde, schon lange nichts mehr bezog, hörte sie nicht auf mich. Ich schenkte ihr noch einen kleinen Theil meines Geldes, weit weniger als ich gesollt und ihr auch gewiß gegeben hätte, wenn ich nicht völlig davon überzeugt gewesen wäre, daß sie auch nicht einen einzigen Sou davon für ihren eigenen Nutzen verwenden würde. Während meines Aufenthalts in Genf machte sie eine Reise ins Chablais und besuchte mich in Grange-Canal. Es fehlte ihr an dem nöthigen Reisegelde; ich hatte nicht so viel bei mir, als erforderlich war, und sandte es ihr eine Stunde darauf durch Therese. Arme Mama! Man gestatte mir, noch diesen Zug

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