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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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gewesen, daß der Stand als Schriftsteller nur dann glänzend und achtungswerth wäre und sein könnte, wenn er kein Berufsstand wäre. Es ist zu schwer, erhaben zu denken, wenn man nur denkt, um davon zu leben. Um große Wahrheiten sagen zu können, sagen zu dürfen, muß man nicht vom Erfolge abhängig sein. Ich warf meine Bücher mit der festen Zuversicht in das Publikum, für das allgemeine Wohl geredet zu haben, ohne mir um das Uebrige Sorge zu machen. Fand das Werk keine gute Aufnahme, um so schlimmer dann für diejenigen, die keinen Nutzen daraus ziehen wollten. Ich meinerseits bedurfte ihres Beifalls nicht, um leben zu können. Meine erwählte Beschäftigung war im Stande, mich zu ernähren, wenn meine Bücher keinen Absatz fanden, und gerade um deswillen war Nachfrage nach ihnen.
    Am 9. April 1756 verließ ich die Stadt, um nie mehr in ihr zu wohnen, denn einige kurze Aufenthalte, die ich seitdem sowohl in Paris wie in London und andren Städten, aber immer nur auf der Durchreise oder doch immer wider meinen Willen genommen habe, betrachte ich nicht als Wohnen. Frau von Epinay holte uns alle drei in ihrer Kutsche ab; ihr Pächter kam, mein unbedeutendes Gepäck aufzuladen, und noch am nämlichen Tage wurde mir meine neue Wohnung übergeben. Ich fand meinen kleinen Zufluchtsort einfach, aber nett und sogar mit Geschmack eingerichtet und möblirt. Die Hand, welche diese Ausstattung besorgt hatte, verlieh ihr in meinen Augen unschätzbaren Werth, und es war für mich ein entzückender Gedanke, der Gast meiner Freundin in einem Hause meiner eigenen Wahl zu sein, das sie ausdrücklich für mich hatte bauen lassen.
    Obgleich es kalt war und sogar noch Schnee lag, begann die Erde doch sich schon in Grün zu kleiden; man sah Veilchen und Schlüsselblumen, die Knospen der Bäume begannen zu treiben, und selbst die Nacht nach meiner Ankunft wurde mir dadurch ereignisreich, daß sich der Gesang der Nachtigall fast unter meinem Fenster in einem Gehölz vernehmen ließ, das an das Haus grenzte. Uneingedenk meiner Uebersiedelung glaubte ich mich nach einem leichten Schlummer noch in der Straße Grenelle, als mich plötzlich dieser melodische Schlag erzittern machte. Voll Entzücken rief ich aus: »Endlich sind alle meine Wünsche erfüllt!« Mein erstes Bestreben war, mich dem Eindrucke der ländlichen Gegenstände zu überlassen, die mich rings umgaben. Anstatt damit anzufangen, mich in meiner Wohnung einzurichten, begann ich mich für meine Spaziergänge einzurichten, und es gab keinen Fußpfad, keine Schonung, kein Gehölz, keinen Schlupfwinkel um meine Wohnung herum, den ich nicht schon am andern Tage durchstreift hätte. Je mehr ich dieses reizende Asyl durchforschte, desto mehr erkannte ich es wie für mich geschaffen. Diese eher einsame als öde Gegend versetzte mich im Geiste an das Ende der Welt; sie besaß jene rührenden Schönheiten, die man in der Nähe der Städte nicht leicht findet, und wenn man sich plötzlich in sie hineinversetzt gewahrt, hätte man nie wähnen können, sich nur vier Stunden von Paris zu befinden.
    Nach einigen meiner ländlichen Begeisterung gewidmeten Tagen dachte ich endlich daran, meine Papiere zu ordnen und meine Beschäftigungen zu regeln. Meine Morgenstunden bestimmte ich, wie ich stets gethan hatte, zum Abschreiben und meine Nachmittage zum Spazierengehen, wobei ich mit meinem kleinen Notizbuche voll vieler unbeschriebener Blätter und meinem Bleistifte versehen war, denn da ich stets nur unter freiem Himmel in aller Ruhe hatte schreiben und denken können, so fühlte ich mich nicht versucht, mich einer andern Methode anzubequemen, und ich rechnete fest darauf, daß der Wald von Montmorency, der fast unmittelbar vor meiner Thüre lag, von nun an mein Arbeitszimmer abgeben sollte. Ich hatte mehrere Schriften angefangen und unterzog sie jetzt einer neuen Durchsicht. In Entwürfen war ich ziemlich großartig, aber in dem aufregenden Treiben der Stadt war bisher die Ausführung langsam weiter gerückt. Ich verließ mich darauf, etwas mehr Fleiß dazu verwenden zu können, wenn ich weniger Zerstreuungen haben würde. Ich glaube dieser Hoffnung ziemlich gut entsprochen zu haben, und für einen oft kranken, oft auf der Chevrette, in Epinay, in Eaubonne, im Schlosse von Montmorency sich aufhaltenden, oft im eignen Hause von müßigen Neugierigen umlagerten und beständig den halben Tag lang mit Abschreiben beschäftigten Mann, habe ich, zählt und erwägt man die Schriften, welche ich

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