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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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meinen Lieblingsbeschäftigungen entrückt war und nun im Begriff stand, sie von neuem aufzunehmen, achtete nicht einmal auf ihre Witzeleien. Seitdem ich mich wider meinen Willen in die Welt gestürzt, hatte ich nicht aufgehört, mich nach meinem lieben Charmettes und dem gemüthlichen Leben, welches ich dort geführt, zurückzusehnen. Ich fühlte mich für die Zurückgezogenheit und das Leben auf dem Lande geboren; es war mir unmöglich, anderswo ein glückliches Leben zu führen. In Venedig, unter dem Andrange der öffentlichen Geschäfte, in der Würde einer Art hervorragender Stellung, in der stolzen Zuversicht auf eine baldige Beförderung; in Paris, im Strudel der vornehmen Gesellschaft, in den Sinnesgenüssen schwelgerischer Tafelfreuden, im Glanze der Schauspiele, im Kitzel meiner sich steigernden Berühmtheit: stets hatte mich die Erinnerung an meine Haine, meine Bäche, meine einsamen Spaziergänge zerstreut, mich traurig gemacht, mir sehnsüchtige Seufzer entlockt. Alle Arbeiten, mit denen ich mich zu beschäftigen im Stande gewesen war, alle ehrgeizigen Bestrebungen, die mich dann und wann erfüllt und meinen Eifer angespornt hatten, gingen immer nur darauf aus, mich eines Tages jene glückselige ländliche Muße erlangen zu lassen, die ich mir in diesem Augenblicke erreicht zu haben schmeichelte. Wenn ich mich auch nicht jenes anständigen Wohlstandes erfreute, den ich für das einzige Mittel hielt, zu diesem Ziele zu gelangen, so war ich in Folge meiner besonderen Lage doch überzeugt, seiner entbehren und auf einem ganz entgegengesetzten Wege das gleiche Ziel erreichen zu können. Ich besaß nicht einen Sou Rente, aber ich hatte einen Namen und Talente; ich war nüchtern und hatte mir die kostspieligsten Bedürfnisse, wenigstens alle, die nur auf Einbildung beruhen, abgewöhnt. Außerdem war ich, wenn auch träge, doch, sobald ich es sein wollte, arbeitsam, und meine Trägheit war weniger die eines Faulenzers als die eines unabhängigen Mannes, der nur gern arbeitet, wenn er Lust dazu hat. Mein Geschäft als Notenabschreiber war weder glänzend noch gewinnreich, aber es war sicher. Man erkannte in der Welt meinen Muth, es erwählt zu haben, vollkommen an. Ich konnte darauf rechnen, daß es mir nicht an Arbeit fehlen würde und sie mir bei einigem Fleiße einen genügenden Lebensunterhalt gewähren würde. Zweitausend Franken, die mir noch vom Ertrage des »Dorfwahrsagers« und meiner übrigen Schriften blieben, reichten für die erste Zeit aus, um jede Noth von mir fern zu halten, und mehrere Werke, an denen ich arbeitete, verhießen mir, ohne daß ich die Buchhändler zu brandschatzen brauchte, genügende Zuschüsse, um in aller Gemächlichkeit, ohne zu große Anstrengung zu arbeiten, wobei ich sogar die Muße auf den Spaziergängen benutzen konnte. Meine kleine Haushaltung, aus drei Personen bestehend, die sich sämmtlich nützlich beschäftigten, erforderte keine kostspieligen Ausgaben. Kurz, meine Hilfsquellen, die im richtigen Verhältnisse zu meinen Bedürfnissen und Wünschen standen, konnten mir bei dem Leben, welches ich aus Neigung gewählt hatte, ein dauerndes Glück mit ziemlicher Sicherheit versprechen.
    Ich hätte mich ganz auf die gewinnreichste Seite werfen und meine Feder, statt sie zum Abschreiben herzugeben, völlig der Schriftstellerei widmen können, die bei dem Fluge, den ich begonnen und den ich fortzusetzen mich im Stande fühlte, mich recht gut in die Lage zu versetzen vermochte, im Ueberfluß und selbst in Reichthum zu leben, hätte ich mich nur dazu verstehen wollen, mit der Sorge, gute Bücher zu schreiben, einige Autorenkunstgriffe zu verbinden. Allein ich fühlte, daß das blose Schreiben für das liebe Brot meinen Genius erstickt und mein Talent vernichtet hätte, welches weniger in meiner Feder als in meinem Herzen lag und seine Quelle lediglich in einer erhabenen und stolzen Denkungsart hatte, die ihm allein Nahrung geben konnte. Aus einer ganz käuflichen Feder kann nichts Kraftvolles, nichts Großes kommen. Die Noth, die Habgier vielleicht hätte mich verleitet, mehr schnell als gut zu arbeiten. Hätte mich das Bedürfnis nach Erfolg nicht in Parteilichkeiten verwickelt, so hätte es mich doch veranlaßt nicht sowohl nützliche Wahrheiten zu sagen als vielmehr solche Aussprüche zu thun, die der Menge gefallen, und aus einem ausgezeichneten Schriftsteller, der ich sein konnte, wäre ich nur ein Papierbesudler geworden. Nein, nein, ich bin stets der Ueberzeugung

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